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Bruce Springsteen - Trapped

 

"A bird in the Hand"
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Tagesprophet, 22. Januar 1940

Die Familien Newton gibt überaus erfreut die Verlobung ihres einzigen Sohnes, Armando Ignatius Newton aus St. David’s, Wales mit Louise Audrey Ratcliff aus London bekannt. Die Verlobungsfeier wird am 14. Februar in St. David’s im Kreise von Familie und Freunden stattfinden. St. David’s im Januar 1940. 

 

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St. David’s am Montag, 22. Januar 1940

An meine geliebte Schwester Gerda,

Wie geht es dir? Robert und mir geht es überaus gut. Die Winter in Wales sind durchaus kalt und windig und doch geniessen wir sehr die gemeinsame Zeit vor dem Kaminfeuer und mit munteren Schneespaziergängen. Robert ist wie üblich nicht gerade bester Gesundheit, aber er schlägt sich tapfer. 

Ich habe noch nicht sehr viele Leute im Dorf kennengelernt, was wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass wir mit Mr. Ollivander sehr ausserhalb der Stadtgemeinschaft wohnen und er selbst nicht der gesellschaftlichste Mensch ist. Aber eigentlich ist mir das sehr recht. Gerade du weisst am besten, wie schwierig es ist, mit Bo unter die Leute zu gehen. Der Arme benimmt sich so herzallerliebst! Er kümmert sich aufopferungsvoll um mich und spielt ganz brav mit seinem Zinnsoldaten. Da kann noch nicht einmal der knurrige Mr. Ollivander etwas dagegen sagen. 

Du weisst, dass du die einzige bist, der ich wirklich voll und ganz vertraue? Und so möchte ich dir über eine ungewöhnliche Begebenheit berichten, die mir zugestossen ist. Vor zwei Wochen hatten wir einen echten Einbrecher im Haus! Ja, du wirst jetzt erschrecken, aber es ist alles gut gegangen! Er wollte einen Zauberstab ergaunern. Wie er seinen eigenen verloren hat, ist mir nicht bekannt, aber er wird ihn mit Sicherheit über kriminelle Machenschaften verloren haben. Aber natürlich konnte ich eine Diebestat unmöglich zulassen! Du kennst mich und meinen Sinn für Gerechtigkeit nur zu gut.

Nun hat dieser Mann, Nate ist sein Name, herausgefunden, dass ich über mein Alter und unsere Herkunft flunkere. Und ich habe aus Angst vor Enttarnung angeboten, ihm einen Zauberstab zu bauen. Ich weiss, du wirst nun denken, ich sei töricht und wahrscheinlich hast du recht. Aber ich konnte es einfach nicht unversucht lassen! Nun habe ich seit zwei Wochen jedes Buch in Mr. Ollivanders Haushalt gewälzt, das ich über die Kunst der Zauberstabbauerei finden konnte. Es scheint gar nicht so einfach zu sein und ich gebe zu, dass ich oft sehr entmutigt bin. Und doch will ich auf keinen Fall aufgeben, ohne es versucht zu haben. Was kann schon schief gehen?

Ich versuche mich bald wieder zu melden, aber ich möchte Mephisto auch nicht zu häufig auf die lange Reise schicken. 

In allergrösster Liebe und Zuneigung zu dir,

Deine Elise

 

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Die vier Mägde kamen vom Anwesen der Newtons, Berkley Park hergelaufen, den Hügel herunter, durch die eisig verkrusteten Felder. Sie lachten und tratschten und schwangen fröhlich ihre Einkaufskörbe, denn noch waren diese leer und leicht. In einer Stunde würden sie den beschwerlicheren Weg nehmen, vollbepackt mit Einkäufen und den Hügel aufwärts und das fröhliche Geschnatter würde zu einem gedämpften Gemurmel und Geschnaufe verkommen. Doch jetzt waren sie noch gut gelaunt und frohen Mutes. 

«Mrs. Newton hat mir heute den Auftrag gegeben die Westtreppe zu scheuern! Die hat doch seit Jahren keiner mehr benutzt, weil alle sagen, im Westturm spuke es! Warum muss die dann gereinigt werden?»

«Mimi, hör auf rumzunörgeln, wenn die Herrin befiehlt, fragst du nicht nach!»

Die angesprochene namens Mimi gab dennoch nicht auf: «Aber Alice, es stimmt doch! Im Westturm spukt es! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen! Nicht nur, dass in dem Turm Eulen leben, man sieht sie sogar tagsüber um den Turm fliegen! Nein, es wabern auch geheimnisvolle Gerüche durch die Luft, die einem die Sinne verwirren! Schwefel und Schlimmeres!»

«Pah, dass ist noch gar nichts,» schaltete sich nun eine dritte Magd ein, die mit den blonden Locken und dem Puppengesicht. «Ich habe mal eine Frauenstimme merkwürdige Beschwörungen aufsagen hören, auch im Westturm! Ich bin mir absolut sicher, dass es Mrs. Newton war!»

«Jetzt ist aber genug, Dany!» schnauzte Alice, die die Anführerin zu sein schien. «Für solche Gerüchte könnten dich die Herrschaften vor die Türe setzen! Und was würdest du dann machen? Mmh? Zu deinem Vater zurückkehren, dem Trunkenbold?»

Dany schwieg beleidigt. Dann sagte Mimi, eine schlanke Brünette, die mit ihren grünen Katzenaugen eigentlich hübsch gewesen wäre, hätte sie nicht eine grosse Narbe über der linken Wange gehabt: «Mal was anderes, ich habe vernommen, dass sich Master Armando vermählen wird! Mit einer Frau aus der Hauptstadt!» Sie sprach das Wort mit einer Ehrfurcht aus, dass es genauso gut ein exotisches Land hätte sein können. 

«Ach Mimi, das weiss doch jeder! Der Butler hat es der Köchin erzählt und diese ist so eine Tratschtante, die kann doch nichts für sich behalten!»

«Ja, aber das beste weisst du noch nicht! Er scheint nicht gerade erfreut darüber! Oder hast du ihn mal gesehen, in letzter Zeit? Immer nachdenklich, immer schwermütig, noch mehr als sonst schon! Und dann reitet er jeden Tag aus! Georgie, der Stallbursche, hat mir erzählt, dass er seinen Hengst jeden Tag schlammverkrustet und nassgeschwitzt wieder zurückbringt.»

«Ja ja, die hohen Leute haben es auch nicht immer leicht, die können ja nicht irgendwen heiraten!» sinnierte Alice, die älteste der Gruppe. 

«Übrigens, wenn wir schon vom Heiraten reden! Habt ihr gehört, dass Septimus Weasley zurück im Dorf ist?» rief da eine andere Magd herüber, die vierte im Bunde, die bis jetzt schweigend zugehört hatte. 

«Wer ist denn das?» fragte Dany, die jüngste, die ausserdem aus Cardiff kam und darum mit der Dorfgemeinschaft noch nicht so vertraut war. 

«Septimus Weasley, jüngster Spross einer alten Familie von St. David’s. Seine ganze Familie war bei einem schrecklichen Unglück ums Leben gekommen und er ging danach nach London.» Die Art, wie sie das Wort «schrecklich» in die Länge zog, liess vermuten, dass sie das ganze eher aufregend als furchtbar fand. «Er ist jetzt wohl Arzt! Und ratet mal was?» 

Nach einer kurzen dramatischen Pause fuhr sie fort: «Er wohnt zusammen mit seiner Haushälterin!» Sei verdrehte die Augen, als wäre das etwas ganz Unverfrorenes.

«Anny, das ist doch nichts Ungewöhnliches! Soll er etwa seine Socken selbst waschen?» schalt sie Alice. Beleidigt warf ihr Anny einen bösen Blick zu, dann fuhr sie fort: «Natürlich nicht. Aber ich rede nicht von dieser Art Haushälterin, einem alten Mütterchen mit Buckel! Nein, es ist ein ganz junges Ding! So alt wie Dany hier! Hält sich für ‘was Besseres, vielleicht weil sie die einzige Magd im Hause Weasley ist. Oder hat sie je mit einem von euch geredet? Nein, immer starrt sie stur geradeaus, wenn sie im Dorf unterwegs ist. Ich sage euch, da geht etwas Unsittliches vor sich!»

In diesem Moment erreichte die kleine Gruppe das Stadttor von St. David’s, im gleichen Moment wie die besagte Magd des Herren Weasley. Sofort verstummten die Mägde der Newtons. Die andere lief unscheinbar wie eh und je durch das Tor, nickte den vieren kurz zu und verschwand dann in einer Seitenstrasse. Die vier Zimmermädchen mussten sich trennen, um ihre Besorgungen zu machen, nicht ohne sich noch einmal vielsagende Blicke zuzuwerfen, die ganz klar «unsittlich» besagten.

 

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Sie hätte es sich eigentlich denken können, als sich Abigale zum Frühstück eingeladen hatte. Hier ging es nicht um gemütliches Geplänkel bei Kuchen und Tee, sondern um Familienpolitik. Innerlich seufzte Amelia, wenn sie an die Geschehnisse der letzten zwei Wochen zurückdachte. War es wirklich erst vierzehn Tage her, dass sie ihre Eltern aus ihrem Haus geworfen hatte? Zuerst hatte es so ausgesehen, als würden diese klein beigeben, aber nun herrschte bereits seit zwei Wochen Funkstille zwischen Amelia und ihren Eltern. 

Und nun sollte ihre kleine Schwester die Wogen wieder glätten. Oder besser gesagt, Amelia dazu bewegen, dass sie sich entschuldigte. Amelia kannte sich, sie wusste, dass sie am Ende einknicken und nachgeben würde, dem Familienfrieden zuliebe. Aber andererseits, warum sollte sie? Brauchte sie eine solche Familie überhaupt, die sie immer kleinhielt und sie nicht zu schätzen wusste? Doch dann entsann sie sich, dass sie Charlie natürlich auch nicht seine Grosseltern vorenthalten wollte und dass sie vermutlich noch oft genug die Hilfe ihrer Eltern gebrauchen würde. 

In diesem Moment schellte auch schon die Türglocke. Abigale stand, herausgeputzt wie immer, vor der Tür. Sie trug ein adrettes weisses Rüschenkleid mit rosafarbenen Applikationen, einen Hut mit einer grossen Schleife in der passenden Farbe und hatte ein herzallerliebstes Lächeln aufgesetzt. Ihre goldblonden Haare fielen ihr in sanften Locken über den Rücken. Amelia wusste, dass diese Haarpracht nicht natürlich war, Abigale investierte jeden Morgen eine volle Stunde, um sich die Haare mit ihrem Zauberstab einzudrehen. Mit zwei gehauchten Küsschen auf die Wange begrüssten sich die Schwestern, die unterschiedlicher nicht hätten aussehen können. Wo Abigale süss und mädchenhaft war, weich und hübsch anzusehen, war Amelia pragmatisch, mit ihrem beigen Kleid aus ungefärbter Wolle und einer weissen Schürze darüber, da sie gerade noch Scones gebacken hatte. Sie hatte ein etwas kantigeres Gesicht als ihre jüngere Schwester und kastanienbraune Haare. Während Abigale wie ein menschgewordener Engel aussah, glich Amelia viel mehr einer Katze, anschmiegsam und lieb, aber durchaus selbstständig und in der Lage, die Krallen auszufahren. 

Aber so fühlte sie sich gerade definitiv nicht! Amelia war nicht mehr nach streiten zumute, sie wollte einfach nur Frieden und ihre Ruhe. Wenn doch nur Isaac da gewesen wäre! Er wusste immer mit Abigale umzuspringen. Ursprünglich hätte er die jüngere Mandeville-Schwester heiraten sollen, doch schlussendlich hatte er sich für Amelia entschieden, was ein grosses Glück für sie gewesen war, hatte sie sich doch Hals über Kopf in den jungen Auroren aus gutem Hause verliebt. Und auch wenn Isaac Abigale verschmäht hatte, wusste er immer die richtigen Worte zu finden, um sie in Schach zu halten, aber ihr gleichzeitig zu schmeicheln. Doch Isaac war nun einmal nicht da, also musste Amelia alleine mit ihrem Schwesterherz klarkommen. 

Insgeheim wusste Amelia, dass Abigale sie vermutlich beneidete, ein Umstand, den die jüngere Schwester so nicht gewohnt war. Sie war immer besser im Zaubern gewesen, geübter in den Hausarbeiten, talentierter im Tanzen und gewandter in der Konversation bei gesellschaftlichen Anlässen. Das einzige, was Amelia Abigale vorausgehabt hatte, war das Reiten gewesen. Wo die ältere Schwester wie eine Wilde über die Felder galoppiert war, hatte die Jüngere Angst vor den grossen Tieren gehabt und sich nie auch nur in die Nähe des Stalls getraut. Doch was ihre Schwester wirklich gelb vor Neid werden liess war die Tatsache, dass Amelia nicht nur aus tiefstem Herzen glücklich mit ihrem Mann war, sondern auch bereits ein Kind hatte und dann auch noch einen Sohn! Ihre eigene Ehe dagegen, war nicht nur kinderlos, sondern auch von den regelmässigen Eskapaden von Mr. Cammendear, Abigales Ehemann, geprägt. Wäre Abigale nicht so herablassend gewesen, sie hätte Amelia glatt leidtun können. 

Amelia bat ihre Schwester herein, nahm ihr den weissen Pelzmantel ab und geleitete sie in den Salon, wo bereits Charlie mit einer kleinen hölzernen Eisenbahn spielte, die winzige violette Rauchwolken ausstiess, wenn man sie fahren liess. Es war das letzte Weihnachtsgeschenk von Isaac an seinen Sohn gewesen. Er hatte die Eisenbahn selbst geschnitzt und verzaubert und Charlie liebte es, mit ihr zu spielen. Jedes Mal, wenn Amelia ihn damit sah, wollte sie weinen und lächeln zugleich, denn sie freute sich natürlich, dass ihr Sohn so viel Freude an seinem Geschenk hatte. Zugleich aber konnte sie den Gedanken nicht loswerden, dass es vielleicht das letzte Geschenk sein könnte, das Charlie jemals von seinem Vater erhalten sollte. 

Abigale setzte sich sogleich an den Esstisch, die Knie leicht zu einer Seite gelehnt, die Hände artig im Schoss gefaltet und sah Amelia zuckersüss an. 

«Möchtest du Tee, Abigale? Scones?» fragte Amelie ihre Schwester die Frage, auf die diese gewartet hatte. Diese antwortete wie auf Kommando: «Tee gerne, aber keine Milch und auch keine Scones. Weisst du, ich achte gerade auf meine Figur.»

Amelia schluckte ob dieses Kommentars trocken. Natürlich hatte ihre Schwester sie nicht direkt beleidigt, aber es war beiden klar, dass diese Bemerkung sie treffen würde. Auch wenn Charlie bereits vier Jahre alt war, hatte Amelia ein kleines Bäuchlein und Dehnungsstreifen von der letzten Schwangerschaft zurückbehalten. Und eigentlich störte es sie auch nicht so sehr, immerhin war es der Beweis, dass sie einem Kind das Leben geschenkt hatte. Auch Isaac hatte sich nie über ihr Aussehen beschwert. Und doch traf es sie, wenn ihre hübsche, dünne Schwester an sich selbst herummäkelte obwohl beide wussten, dass Abigale nach gängigen Schönheitsidealen besser aussah als Amelia. 

Ohne etwas darauf zu erwidern ging Amy in die Küche, um kurz darauf mit einem vor sich schwebenden Tablet zurückzukommen, auf dem sich Teetassen, etwas Gebäck und ein kleines Milchkännchen befanden. Wenn ihre Schwester auch auf ihre Linie achtete, sie würde sich die Köstlichkeiten nicht entgehen lassen. Mit einem kurzen Blick auf ihr Kind entschied Amelia, ihren Sohn nicht beim friedlichen Spiel zu stören. Er würde sich bei der Teerunde nur langweilen und wenn er Hunger hätte, würde er schon kommen.

«Wird sich Charles nicht zu uns setzen?» fragte da auch schon Abigale in kritischem Unterton.  

«Nein,» antwortete Amelia betont sanft, «ich will ihn nicht beim Spielen stören. Er kann später einen Bissen von meinem Scone haben, wenn er will. Dann können wir beide auch viel ungestörter reden. Was führt dich hierher, Liebes? Du bist doch bestimmt nicht nur gekommen, um meinen einfachen Schwarztee zu trinken?»

Abigale schien erfreut, dass sie sich nicht unnötig mit Einstiegs-Geplänkel aufhalten musste und kam gleich zum Punkt: «Wie du dich vor zwei Wochen gegenüber Mutter und Vater aufgeführt hast, war nicht gerade respektvoll. Wie konntest du so mit ihnen umspringen? Nach allem, was sie für uns getan haben! Willst du, dass sie vor Kummer sterben?»

Amelia atmete tief ein und aus. Was hatten ihre Eltern denn für sie getan, ausser sie ständig zu kritisieren und zu verspotten? Und davon abgesehen, sie hatten bei ihrem letzten Treffen noch allerbester Gesundheit gewirkt, nicht gerade dem Tode nah. Wie gerne würde sie sich hinlegen, ein wenig schlafen und so tun, als existiere die Welt da draussen nicht. Ihr Rücken fing wieder einmal an zu schmerzen. Unruhig rutschte Amelia leicht auf ihrem Stuhl herum. Sie versuchte es auf die diplomatische Art. 

«Ich wollte Mutter und Vater nicht verärgern. Aber sie sind hier einfach hereingeplatzt, während Charlie schlief. Er war wirklich krank, Abigale! Du verstehst das nicht, aber Kinder verändern einen, man würde alles für sie tun und ich wollte nur meinen Sohn beschützen.» 

Mist, den letzten Satz hätte sie nicht sagen sollen. Abigale versuchte bereits seit zwei Jahren, also seit dem Tag ihrer Hochzeit mit Anton, schwanger zu werden, doch irgendwie wollte es nicht klappen. Amelia hätte ihrer Schwester gerne gut zugeredet und sie getröstet, doch leider wies diese jeden Näheversuch ab und betonte bei jeder Gelegenheit, wie viel besser ihre eigene Ehe doch war als die von Amelia und Isaac. Natürlich war Anton Cammendear ein hoch geschätztes Mitglied des Zaubergamots, reinblütig und aus einer reichen Familie. Und doch war seine heuchlerische Einstellung und die Art, wie er andere Frauen anschaute, einfach nichts für Amelia. 

«Jetzt wirkt er auf mich aber überraschend gesund!» sagte Abigale in ihre Gedankengänge hinein. 

«Ja,» antwortete Amelia, «er hat sich zum Glück sehr gut erholt. Die Kräuterkundler haben mir verschiedene Heilmittel gegeben und das hat ihn wieder aufgepäppelt.»

«Du gehst zu diesen Scharlatanen?» platzte Abigale hervor.

«Das sind Forscher und sie haben uns sehr geholfen!» sagte Amelia bestimmt. Ihre Schwester sagte nichts mehr, zwang Amelia, etwas in die Stille zu sagen. Sie dachte kurz nach. Und entschied sich, wie immer, klein bei zu geben. Die letzten zwei Wochen Funkstille hatten letztendlich doch an ihren Nerven gezerrt. 

«Ich kann ja mal mit ihnen reden, vielleicht könnte ich sie für nächstes Wochenende nach der Kirche zum Sonntagsbraten einladen?»

Mit einem zufriedenen Lächeln lehnte sich Abigale in ihrem Stuhl zurück und mit den Worten: «Ich glaube, jetzt nehme ich doch einen Scone» bediente sie sich am Gebäck. Und Amelia wusste, dass sie mal wieder gegen ihre herrschsüchtige Familie verloren hatte und fragte sich gleichzeitig, warum sie eigentlich immer diejenige war, die klein beigab. 

 

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Der Zug ratterte noch ein paar letzte Male, bevor er mit einem Quietschen in Haverfordwest ankam. Tuppence stieg erleichtert aus. Sie hatte auf die Schnelle einfach keinen Portschlüssel nach St. David’s bekommen können, aus diesem Grund hatte sie auf die Muggelart reisen müssen. Verdammte Apparierprüfung! Mehrfach hatte Tuppence es versucht und mehrfach war sie gescheitert. Nun würde sie also den Bus nach St. David’s nehmen. Insgeheim genoss Tuppence es ja, mal so viel Zeit für sich zu haben. Normalerweise war sie schliesslich immer am Arbeiten und hatte nie Zeit, zum Beispiel in Ruhe die Zeitung zu lesen. 

In den letzten zwei Wochen hatte sich ein bisschen was bei ihr getan. Nachdem sie Timotheo Knight einfach so stehen gelassen hatte, hatte sich Tuppence auf den Weg zum Haus ihrer Tante Prudence gemacht. Und den ganzen Tag vor dem hohen Tor herumgelümmelt, das den Eintritt zum Anwesen verwehrte. Und hatte sich einfach nicht getraut, zu klingeln. Was wollte ihre Tante von ihr? Was, wenn es nichts Gutes war? 

Tuppence hatte nie eine Familie ausser ihrer Mutter gekannt und es ehrlich gesagt auch nicht übermässig vermisst. Natürlich war sie zutiefst neugierig, was wohl dahinterstecken mochte, aber warum sollte sie etwas an ihrem Leben ändern, wenn sie doch eigentlich ganz zufrieden damit war. Insgeheim ärgerte sie sich zutiefst über ihre Feigheit, musste sich aber auch eingestehen, dass das hohe Tor mit dem grossen Garten dahinter mehr als einschüchternd gewesen war.  

Nach zwei Tagen erfolglosen Herumschleichens war Tuppence schliesslich zurück nach London gekehrt. Dort war sie recht ordentlich von ihrem Chef zusammengestaucht worden und mit den Worten, er habe schon jemanden anderen für den Fall Walter Kleine gefunden, hatte sie vorzeitig ins Wochenende starten dürfen. Daraufhin war sie mit dem Portschlüssel, der jeden Freitag von London nach St. David’s reiste, wieder nach Wales geflogen, wo sie sich in einer urigen, aber überteuerten Herberge, einquartiert hatte, um sich am Samstag mit Melody Knight zu treffen. 

Das Teekränzchen mit der Quidditchspielerin war überaus erfreulich gewesen. Nicht nur hatte Tuppence genug Material für einen ersten Teil ihrer neuen Reportage Frauen bei der Arbeit zusammenbekommen, sie hatte auch das Gefühl gehabt, gut mit der jungen Hexe klar zu kommen. Und diese hatte sie sofort eingeladen, in der Woche darauf wieder mit ihr Tee trinken zu gehen. Seitdem hatten sich Melody und Tuppence bei jeder sich bietenden Gelegenheit in London getroffen, denn Tuppence war nach dem Wochenende noch einmal in die Winkelgasse zurückgekehrt, um ihrem Chef von ihren Plänen zu berichten. 

Der hatte sie nur stirnrunzelnd angeschaut und abwesend genickt, nur um sich gleich darauf wieder anderen, wichtigeren Dingen zuzuwenden. Tuppence wusste, dass sie sich mit ihrer Art nicht bei all ihren Arbeitskollegen beliebt machte, aber trotzdem war sie verärgert, dass man sie so schnell von der Spionage-Geschichte abgezogen hatte und jetzt nicht einmal ihren neuen Ideen zuhörte. 

Aus diesem Grund hatte sie entschieden, ihr Quartier im Tropfenden Kessel abzubauen und sich erstmal für ein paar Wochen in Wales, genauer, in St. David’s, niederzulassen. Das hatte mehrere Vorteile. Sie konnte an Timotheo Knight dranbleiben und vielleicht doch noch mehr über die Bedrohung aus dem Deutschen Reich herausfinden. Sie konnte zudem ein Treffen mit ihrer Tante arrangieren. Und Melody hatte ihr versprochen, sie mit ein paar Freundinnen bekannt zu machen, die vielleicht interessant für die Reportage sein könnten. 

Nun war Tuppence auf dem Weg von der Bushaltestelle zu der kleinen Herberge namens David’s Inn, ein sehr schmales, leicht schiefes Haus, das vier Stockwerke umfasste und dessen Dach von einer Vielzahl von Schornsteinen bedeckt war. Die Knights hatten ihr dieses Etablissement empfohlen, dass es von einer ältlichen Hexe geführt wurde und Tuppence sich so keine Sorgen um Themen wie Zauberei und Eulenverkehr machen musste. Zudem war es billig, im Gegensatz zu der Unterkunft, in der Tuppence zuvor in St. David’s gelebt hatte. Ein nicht zu unterschlagendes Argument angesichts von Tuppence ewig knapper finanzieller Lage. Sie nagte vielleicht nicht gerade am Hungertuch, aber üppig hatte sie das Geld auch nicht wirklich. 

Zaghaft klopfte Penny an die massive hölzerne Tür. Geöffnet wurde sie von einer Dame um die fünfzig Jahre, mit einem strengen Dutt und genauso strengen Augenbrauen. 

«Sie wollen…?» schnarrte sie fragend. 

Tuppence, die sonst um kein Wort verlegen war, fühlte sich augenblicklich an ihre alte Zaubertranklehrerin erinnert. Sie schluckte, dann riss sie sich zusammen und antwortete: «Ich hatte per Eule ein Zimmer bei Ihnen gebucht. Tuppence St. Claire.» 

Da erhellte sich der Blick der Hausdame und Tuppence wusste nicht sicher, ob es das Erinnern an ihren Brief war, oder die Erkenntnis, dass sie mit Lady Prudence St. Claire verwandt sein musste. Sie machte einen Schritt zur Seite um Tuppence einzulassen und murmelte kurz ihren Namen, etwas, das klang wie Madam Archibald. Direkt hinter der Haustür führte ein schmaler Gang zu verschiedenen geschlossenen Türen, daneben befand sich eine sehr steile Treppe.

«Erdgeschoss: Frühstücksraum und meine privaten Räumlichkeiten, von denen Sie gefälligst die Finger lassen.» schnarrte Madam Archibald. Dann machte sich die Frau auf den Weg die Stiege hoch. Schnaufend schleppte Tuppence ihren Koffer hoch, denn erst im zweiten Obergeschoss fiel ihr beschämt ein, dass sie ihr Gepäck ja auch vor sich herschweben lassen konnte. Im Dachgeschoss angekommen, schloss Madam Archibald eine der Türen mit der Nummer 401 auf und verkündete: «Ihr Zimmer, Miss St. Claire, Handtücher und Seife finden Sie in der Kommode, für einen Knut können sie einmal in der Woche ihre Sachen von mir waschen lassen. Frühstück kostet ebenfalls einen Knut pro Tag. Das Zimmer kostet einen Sickel pro Woche. Bad ist über den Gang, sie müssen es sich teilen, wenn es andere Gäste gibt, aber im Moment sind sie hier die Einzige. Ach ja, bevor ich es vergesse: Herrenbesuch ist verboten!» schloss sie mit Nachdruck. 

Tuppence nickte, etwas erschlagen von dem Treppenmarsch und der Fülle an Informationen. Dann drückte ihr Madam Archibald den Messingschlüssel mit der Nummer 401 in die Hand und machte sich daran die Treppe hinabzusteigen. 

Tuppence ging in die kleine Kammer, die etwas kühl war und stellte ihren kleinen Koffer auf dem Stuhl ab. Sie blickte sich um. Ein schmales Bett, eine Kommode, ein kleiner Schrank, ein Tisch mit Waschschüssel und ein Stuhl. In der Ecke zudem ein winziger Ofen, der allerdings nicht eingeheizt war. Nun gut, Feuerholz kostete offenbar auch extra. Immerhin würde sie ihre Socken trocknen können. Irgendwie hatte Tuppence angesichts des Nieselwetters draussen den Verdacht, dass sie das in den nächsten Wochen noch ein paar Mal machen würde. 

Und während Tuppence anfing ihren Koffer auszupacken, schmiedete sie in ihrem Kopf schon einmal Pläne, was sie alles in St. David’s tun, mit wem sie alles reden und vor allem, was sie alles herausfinden wollte. 

 

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Die Sonne schien ungewöhnlich hell an diesem Januartag und liess die kleinen Eiszapfen an den Bäumen Schmelzwasser tropfen. Am frühen Morgen hatte es noch genieselt, aber jetzt verflüchtigten sich die Wolken unter dem starken Westwind und die Sonne kam hervor. Es war beinahe Mittagszeit und Flora war gerade drauf und dran, ihren Arbeitsplatz im Kräutergarten zu verlassen. Sie war bereits in der kleinen Hütte gewesen, wo sie die Erde und Dreck von ihren Händen gewaschen hatte und wollte gerade gehen, als ihr eine junge Frau auffiel, die sich unauffällig vor dem Gartentor zum Kräutergarten herumdrückte. 

Flora erkannte sie sofort wieder, sie hatte sie bereits vor etwa zwei Wochen gesehen, ganz in der Nähe. Sie ging auf die Fremde zu, um sie anzusprechen: «Guten Tag, Miss. Kann ich Ihnen helfen?»

«Guten Tag,» antwortete die andere höflich, dann druckste sie herum: «Ich wollte mich nur ein bisschen über Pflanzen informieren. Für meinen Garten.»

Das an sich hätte nicht gerade seltsam gewirkt, wäre es nicht kältester Januar gewesen. Warum wollte eine junge Dame wie sie im Winter gärtnern? Flora runzelte misstrauisch die Stirn. Und klang ihr Akzent nicht etwas komisch, als wäre sie nicht von hier? Gleichzeitig war ihre Neugierde geweckt. Von wo war dieses Mädchen, dass sie noch nie zuvor in St. David’s gesehen hatte? Und vor allem, was führte sie im Schilde? Flora beschloss, dem ganzen auf den Grund zu gehen. 

«Wissen Sie was, ich war gerade auf dem Weg in die Mittagspause, aber das kann auch noch ein bisschen warten. Kommen Sie doch rein, es ist so bitterkalt.»

Die junge Dame lächelte dankbar und folgte Flora ins Innere der kleinen Hütte. Dann streckte sie die Hand aus und sagte: «Mein Name ist Eliza Goldstein. Ich bin erst seit kurzem in St. David’s.»

«Flora Griffin,» murmelte die Kräuterkundlerin als Antwort. «Nehmen Sie doch Platz. Möchten Sie einen Tee, Miss Goldstein?» und während sie heisses Wasser aufsetzte fuhr sie fort: «Jetzt erzählen Sie mal, was Sie wirklich wollen. Sie brauchen mir nicht verkaufen, dass Sie im Winter ihren Garten mit Flitterblumen aufpolieren wollen.»

Miss Goldstein dachte einen Moment nach und legte ihren blauen Wollmantel ab, was Flora Gelegenheit gab, sie näher zu betrachten. Sie hatte hellbraune Haare, die sie nach hinten geflochten hatte und Augen, die an geschmolzene Schokolade erinnerten. Ihre Gesichtszüge waren schmal und leicht kantig, aber ihre Haut sah hell und weich aus. Sie sah Charlotte überhaupt nicht ähnlich und trotzdem fühlte sich Flora in unglaublicher Weise an ihre ehemalige beste Freundin erinnert. Beste Freundin? verspottete sie sich selbst im Stillen. Einzige Freundin traf es wohl besser. Die einzige Freundin, die Flora je gehabt hatte. 

Verteidigung gegen die Dunklen Künste beginnt gleich. Ein Fach, in dem Flora auf der einen Seite recht gut abschneidet, auf der anderen Seite unterdurchschnittlich. Gut in Verteidigung und schlecht im Angriff, genau wie in allen anderen Bereichen ihres Lebens. Schildkrötenpanzer ausfahren und warten bis es vorbei ist. Charlotte läuft neben ihr, hält ihre Hand wie selbstverständlich. Man könnte es für zufällig halten. Aber nur sie beide wissen, dass sie sich eben gerade noch auf dem Mädchenklo wild geküsst haben. Doch das sieht man ihnen ja nicht an, oder?

Im Klassenzimmer wird aufgeregt getuschelt. Der Professor ist noch nicht da. Ein paar Mädchen gaffen Flora und Charlotte an, eine streckt sogar unverfroren den Finger in ihre Richtung aus. Flora will Charlottes Hand abschütteln, aber die lässt nicht los. Was soll das? 

Die Mädchen fangen an lauter zu tuscheln, sie kümmern sich nicht, ob Flora oder Charlotte sie hören können. Wortfetzen erreichen ihre Ohren: «Lesben», «…habe sie knutschend erwischt…» 

Eines der Mädchen, Mary Hemsworth, schreit laut durch den Raum: «Ich habe gehört, du und Charlotte leckt euch gegenseitig die…»

In diesem Moment zückt Charlotte ihren Zauberstab und die andere Sechstklässlerin verstummt und fasst sich panisch an den Mund. Just in der Sekunde betritt der Lehrer den Raum und fragt verärgert nach der Ursache für den Tumult. Und während alle aufgeregt auf Charlotte zeigen, steht Flora einfach nur stumm daneben, unfähig etwas zu sagen. 

Nur höchst unwillig kam Flora wieder in die Gegenwart zurück. Die andere Frau schien sich in der Zwischenzeit entschieden zu haben: «In Ordnung, ich brauche natürlich keine Pflanze für meinen Garten, ich habe nicht einmal einen besonders grünen Daumen. Ich möchte mich über magische Hölzer beraten lassen. Wissen Sie, ich wohne bei Mr. Ollivander und würde gerne mehr über die Herstellung von Zauberstäben lernen.» 

Und nach einer weiteren Pause fügte die junge Frau hinzu: «Also gut, ich gebe es zu, ich würde gerne lernen, wie man einen Zauberstab baut.»

Flora war etwas überrascht, dass sich Miss Goldstein nicht ihre Informationen direkt bei der Quelle holte, aber sie liess sich nichts anmerken. Es war nicht ihre Aufgabe über die Sonderheiten anderer Menschen zu urteilen. Stattdessen holte sie ein grosses und alt aussehendes Buch aus dem Bücherregal neben der Sitzecke. Vorsichtig bliess sie den Staub von dem ledernen Umschlag und öffnete behutsam den Folianten. 

Dann fingen die beiden Frauen an zu lesen und je mehr sie lasen, desto mehr verstanden sie, dass die Kunst der Baumkunde eine Herausforderung war, die erst gründlich erlernt werden wollte. Doch Eliza Goldstein schien sich davon nicht entmutigen zu lassen, denn sie sagte: «Nun gut, wenn ich das richtig verstehe, darf es nicht einfach irgendein Ast sein, es muss ein Holz sein, dass idealerweise von Bowtruckles bewacht wird und auch dann muss das Holz zum Charakter desjenigen sein, für den der Zauberstab gemacht werden soll. Das heisst ich muss nur noch herausfinden, was zu Nate passt und dann kann er mit mir noch einen magischen Kern besorgen und dann haben wir es schon geschafft!»

Flora fand das reichlich optimistisch, sagte aber nichts und fragte stattdessen: «Nate? Meinen Sie etwa Nathaniel Stewart, den Sonderling, der im Wald lebt?»

Eliza Goldstein zögerte kurz, dann sagte sie: «Ja, das könnte er sein. Woher kennen Sie ihn? Was wissen Sie von ihm?»

«Oh, er war mit mir in Hogwarts, zwei Jahr unter mir. Während er in Slytherin war, bin ich nach Ravenclaw gekommen. Er war bekannt als Unruhestifter, aber seine Geschichte ist ja auch tragisch, ich glaube, er ist in einem Waisenhaus aufgewachsen.» antwortete Flora betont beiläufig, beobachtete aber genau, wie die andere Frau reagierte

Miss Goldstein schwieg nachdenklich. Dann sagte sie: «Vielen Dank, Miss Griffin. Sie haben mir sehr geholfen, falls ich noch mehr Fragen habe, würde ich mich nochmal an sie wenden.»

«Ach, nennen Sie mich doch Flora,» sagte die Angesprochene, leicht errötend.

«Angenehm, Eliza.» lächelte diese. Dann stand sie auf und verliess die Hütte. Durch das Fenster konnte Flora sehen, wie Eliza den Kräutergarten verliess und sich auf den Weg zu den Häusern in der Ferne machte. Und zurück blieb nur der angenehme Geruch nach Sandelholz, Lavendel und nasser Wolle. Und Flora spürte eine Euphorie, wie sie sie schon seit langem nicht mehr gespürt hatte. Genauer, seit ihrer Zeit an der Schule.

 

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Der Tag neigte sich dem Abend zu und Armando war eher heimgekommen, um seiner Mutter einen Gefallen zu machen. Sie hatten abgemacht, heute die Verlobungsfeier zu planen, die im Februar im Rahmen eines grossen Festes stattfinden sollte. Armando hatte die letzten zwei Wochen viel nachgedacht. Ihm war absolut klar gewesen, dass er Louise eigentlich nicht heiraten wollte. Aber er war nun einmal auch nicht bereit gewesen, seine Familie so schändlich zu enttäuschen, von ihnen verstossen zu werden. Natürlich war er finanziell dank seiner Stelle im Ministerium unabhängig, und doch. Er hatte nun einmal nur seine Eltern, sie waren seine einzige Familie.

Nun sass er also im Schreibzimmer seiner Mutter, einem schönen Raum, mit dunkelgrünen Brokattapeten und fragilen Möbeln mit dünnen Beinchen, die in vergoldeten Löwenklauen endeten. Der Butler hatte gerade den Fünf-Uhr-Tee serviert mit etwas leichtem Gebäck und seine Mutter kratzte mit ihrer Schwanenfeder über das parfümierte Pergament, das sie immer zum Schreiben benutzte. Sie waren gerade dabei, eine Liste der geladenen Gäste zu erstellen. 

«.. und natürlich Minister Spencer-Moon. Dann selbstverständlich deinen Chef, wie heisst der nochmal?»

«Du meinst Mr. Demeront, Mutter, den Leiter der Abteilung für Internationale magische Zusammenarbeit?» fragte Armando abwesend, da er gerade dabei war sich mit Scones einzudecken. 

«Konzentrier dich Armando! Das hier ist wichtig!» erwiderte Cassiopeia Newton scharf. 

Armando war kurz davor zu antworten, dass Essen auch wichtig sei, er verkniff es sich aber gerade noch. Manchmal konnte er mit seiner Mutter richtig gut scherzen, aber er hatte das Gefühl, dass sie im Moment nicht besonders humorvoll aufgelegt war. Sie stützte verzweifelt den Kopf in ihre Hände, sodass ihr langes silbergraues Haar wie ein Vorhang über ihr Gesicht fiel. 

«Entschuldige, mein Lieber. Ich weiss nicht, warum ich so angespannt bin. Ich will es ja nicht verfluchen, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass noch etwas schief gehen wird!»

Armando spürte das schlechte Gewissen in seiner Magengegend brodeln. Gab er sich nicht genug Mühe? Er versuchte seine Mutter aufzuheitern: «Mutter, alles wird gut gehen. Sogar mit der Anzeige im Tagespropheten hat heute Morgen alles funktioniert! Keine Rechtschreibfehler, alles gut! Ich wurde von vielen Kollegen darauf angesprochen und mir wurde von allen Seiten gratuliert. Aber wie wäre es damit. Ich frage höflichst an, ob ich mich diese Woche bei den Ratcliffs zum Abendessen vorstellen darf.» 

Seine Mutter sah ihn misstrauisch an. Dann nickte sie zufrieden. Und Armando lehnte sich erleichtert in seinen Stuhl zurück und schob sich ein Stück Shortbread in den Mund. In diesem Moment klopfte der Butler an.

«Ja, Thomas?» fragte seine Mutter streng. 

«Entschuldigen Sie die Störung Ma’am. Draussen wartet eine Miss Rosalia de Vautart darauf, zum jungen Master Armando vorgelassen zu werden.»

 

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Timotheo kletterte vorsichtig den steinigen Weg die Klippen entlang herunter. Wer sich nicht auskannte, hätte leicht abstürzen können. Aber Theo kannte diesen Pfad schon seit er laufen konnte und für ihn war es ein einfaches Unterfangen, sich an den Steinen zu orientieren, um den nächsten sicheren Tritt zu finden. Hinter ihm fluchte Melody. Dafür, dass sie sonst so talentiert und geschickt war, stellte sie sich überraschend unbeholfen an. Und doch hatte sie es sich nicht nehmen lassen, ihn an ihren alten Treffpunkt aus Kindertagen zu begleiten. 

Schliesslich waren sie unten an der kleinen Höhle angekommen, die die Wellen in den Felsen geschnitten hatten. Hier war das Meer ruhiger und es herrschte eine angenehme Stimmung, mit dem hellblau leuchtenden Wasser und dem Echo, das ihre Stimmen in der Stille warfen. Sie setzten sich auf die grossen Steine am Boden und sofort fühlte Timotheo wie ihm der Hintern abfror. Er tippte mit seinem Weidenstab auf den Felsen und spürte, wie sich eine leichte Wärme in seiner Gesässregion ausbreitete. 

«Weisst du noch, wie wir hier immer übernachten wollten, aber Mum und Dad es verboten hatten, weil sie fürchteten, dass wir in der Flut ertrinken würden?»

«Ganz unrecht hatten sie ja nicht damit», schmunzelte Timotheo. 

«War eine richtig gute Zeit, nicht war, Bruderherz?», fragte Melody. Timotheo nickte nur, versunken in den Abenteuern seiner Kindheit, die er mit seiner kleinen Schwester erlebt hatte. Es war wahrhaftig eine gute Zeit gewesen.

«Worüber wolltest du mit mir ungestört reden, Melody?», kam er schliesslich zum Punkt. 

«Ich habe von Mum und Dad gehört, dass du jetzt eine Freundin hast», grinste ihn Melody frech an. «Und ich habe mir schon höchstpersönlich ein Bild von ihr gemacht! Nettes Mädchen! Sehr aufgeschlossen, klug und auch noch hübsch. Stell dir nur vor wie eure Kinder…»

«Ach hör doch auf!», fluchte Timotheo und warf spielerisch einen Stein nach ihr, den sie mit einem geschickten Schlenker ihres Zauberstabs abblockte. 

«Nein, aber im Ernst. Das wäre doch eine für dich. Sie ist wirklich nett und es gibt nichts an ihr auszusetzen. Sie könnte dir guttun», sagte Melody in einem Ton, den man anschlägt, wenn man mit jemand nicht besonders klugen oder einem Kleinkind redet. 

«Du weisst genau, warum ich nicht an Liebesdramen interessiert bin», sagte Theo, etwas rauer als beabsichtigt. 

«Ich weiss, aber du musst dir dieses andere Mädchen aus dem Kopf schlagen. Wie hiess sie noch gleich, Elina?», fragte Melody. 

«Eliane. Und es ist nicht so, dass ich ihr noch hinterhertrauere. Ich möchte einfach nicht noch einmal verletzt werden.»

«Das glaube ich, Bruderherz, aber wenn du das Geschenk der Liebe erfahren willst, musst du eben auch Risiken eingehen!»

«Du verstehst das nicht», sagte Theo im ruppigen Ton. Dabei wusste er ganz genau, dass Melody vermutlich die Einzige war, die ihn wirklich verstand. Die wusste, wie sehr ihn die Heirat von Eliane mit diesem Franklin aus seinem Hogwartshaus geschmerzt hatte. Und die wusste, dass er Angst hatte, noch einmal mit gebrochenem Herzen dazustehen. 

 

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Da sass sie, mit überschlagenen Beinen und nippte an ihrem Tee. Er hatte Rosalia de Vautart schon länger nicht mehr gesehen, obwohl sie beide im Ministerium arbeiteten. Trotzdem hatten sie überraschend wenig miteinander zu tun. Als sie vor ein paar Monaten befördert worden war, hatte er ihr einen Blumenstrauss geschickt, weisse Tulpen, aus Holland importiert, ein teurer Spass, vor allem im Spätsommer, aber das war es dann auch schon gewesen. Nun war sie hier in St. David’s, sass auf dem Platz, an dem eben noch seine Mutter gesessen hatte und schlürfte Earl Grey. 

Was wollte sie hier? Was machte sie überhaupt in diesem Gott verdammten Ort? Sie hatten bereits seit einer halben Stunde freundliche Konversation betrieben. Sie hatte ihm zur Verlobung gratuliert, aber er hatte nicht den Eindruck gehabt, dass das der Grund ihrer Anreise gewesen war. 

«Schmeckt’s?», fragte er, höflich wie er glaubte. 

Sie nickte nur und machte immer noch keine Anstalten, mit der Sprache herauszurücken. Mit einem leisen Klirren setzte sie die Teetasse aus Meissner Porzellan wieder auf der Untertasse auf. Dann öffnete sie endlich den Mund und sprach, mit ruhiger, eindringlicher Stimme: «Du kannst dir denken, dass ich nicht nur hier bin, um den hervorragenden Earl Grey deiner Mutter zu geniessen. Ich wollte mit dir über eine wichtige Sache sprechen.»

Nun war Armando zugegebenermassen doch etwas gespannt, was ihr wohl auf dem Herzen lag. 

«Wie du vielleicht gehört hast, ist mein Bruder gerade in diesem Moment in Frankreich an der Front im Einsatz, in einem magischen Militärkommando.»

Armando nickte langsam, auch wenn er davon nichts gewusst hatte. 

«Ich will ihn da weghaben. Ich will, dass er nach Hause versetzt wird, dass er zu uns zurückkehrt, dass er wieder hier ist. Und zwar jetzt.» 

Sie hatte ihre Stimme nicht erhoben, war nicht laut geworden und doch hatte Armando den Eindruck, dass ihr Sopran den ganzen Raum ausfüllte. Diese bestimmte, fast schon herrische Art hatte sie schon damals in Hogwarts gehabt. Daran konnte er sich sehr gut erinnern. Sie war in Slytherin gewesen, er in Gryffindor. Und doch hatten sie einen gemeinsamen Freundeskreis gehabt, gemeinsam in der Bibliothek gelernt und waren ab und zu mit ihren Kumpanen nach Hogsmead gegangen. 

Besonders gut konnte er sich daran erinnern, wie sie sich kennengelernt hatten. 

Es ist der 1. September 1929. Er hatte keine älteren Geschwister, die ihm von der Schule vorgeschwärmt hätten, keine magischen Cousins, die vor ihm mit ihren Zauberkünsten angegeben hätten, nur seine Mutter, die ihm hinter verschlossenen Türen eingeprägt hatte, dass er etwas besonderes war, anders als die anderen und dass dies ein Geheimnis bleiben musste. 

Noch nie hatte Armando mit anderen magischen Kindern Kontakt gehabt. Er hatte nicht gewusst, dass es so viele von ihnen gab. Seine Familie war nur zur Hälfte magisch begabt und auch dieser Zweig war nicht besonders gross. Doch nun sitzt er alleine in dem Abteil des Hogwarts Express und blickt durch das Zugfenster, von dem Regentropfen herunterperlen. Draussen stehen viele Leute, mehr, als dass er hätte zählen können. Und sie waren alle magisch! 

Und erst dieser Lärm! Wo es in Berkley Park still, hoheitsvoll und streng zu und her geht, gleicht der Bahnhof King’s Cross einem Eulenschlag, so laut und unruhig! In diesem Moment geht die Abteiltür auf. Darin steht ein Mädchen in einem blauen Matrosenkleid und mit schwarzen Lackschuhen.

«Ist da noch frei?» fragt sie, nicht schüchtern, wie er es von einem Mädchen erwartet hatte, sondern selbstbewusst und bestimmt, als wäre das ihr reservierter Platz. Armando richtet sich etwas in seinem Sitz auf und sagt, so lässig wie möglich: «Aber natürlich, setz dich doch.»

Der Zug fährt ab und nach kurzer Zeit wurde aus dem verschwommenen Graubraun der Londoner Strassen das Grünblau der Flüsse und Wälder, die in grosser Geschwindigkeit am Zugfenster vorbeiziehen. 

«Wie heisst du eigentlich?» fragt er schliesslich das Mädchen. Und sie antwortet: «Rosalia de Vautart», in einem Ton, als wäre es eine Überraschung, dass er das noch nicht gewusst hatte. 

Auch jetzt sprach sie so, als wäre doch alles absolut logisch und vorhersehbar, als wäre er ein dummer Schuljunge und sie sehr viel schlauer als er. Innerlich schüttelte er den Kopf über ihre Überheblichkeit. Trotz allem war sie seine älteste Freundin und er mochte sie. 

«Was erwartest du genau von mir? Ich weiss nicht wirklich, wie ich dir helfen kann.»

«Du arbeitest in der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit.» Als ob er das nicht wüsste. «Du kannst ihn doch einfach zurückordern!»

Und obwohl Armando wusste, dass das nicht so einfach werden würde, wusste er, dass er ihr diesen Gefallen schuldete. 

 

-



Laut pochte er an der Tür. Er hatte seinem guten alten Freund schon ewig keinen Besuch mehr abgestattet, aber jetzt, da er schon seit über zwei Wochen wieder in St. David’s hauste, führte kein Weg mehr an einem Höflichkeitsbesuch vorbei. Die Tür vor seiner Nase war grün gestrichen, eigentlich eine schöne Farbe, seine Lieblingsfarbe, nur hätte das Holz einen frischeren Anstrich vertragen können.

Bevor er weiter darüber sinnieren konnte, öffnete sich die Pforte und ein junges Mädchen in der hellblauen Kluft einer Magd stand vor ihm. 

«Sie wünschen?» fragte sie höflich, aber reserviert. Nate verkniff es an sich herabzuschauen, er wusste, dass er mit dem zerlöcherten Umhang und unrasiert nicht gerade vertrauenserweckend aussah. Es waren halt harte Zeiten, jetzt hör auf mich mit deinen Rehaugen niederzustarren, dachte er verärgert. 

«Nate Stewart, Septimus erwartet mich.» antwortete er darum nur knapp. Er war nicht hier, um sich vor irgendwem zu rechtfertigen, schon gar nicht vor einer Magd. 

«Kommen Sie herein.» 

Im Eingang angekommen, musste Nate trocken schlucken. Natürlich, dies war kein Palast, aber Septimus hatte sich ein richtiges Zuhause geschaffen. Der Eingangsbereich ging nahtlos in einen grossen Raum mit Essecke und Wohnzimmer über. Eine Tür, aus deren Richtung es köstlich nach Kuchen roch, liess die Küche vermuten. Er bemerkte gar nicht, wie das Mädchen ihm den Mantel abnehmen wollte und als es ihm auffiel, stoppte er sie brüsk: «Den behalte ich an.»

Als sie dann auch noch auf seine Stiefel starrte und die schlammgien Abdrücke, die er auf den Holzdielen hinterlassen hatte, verdrehte er doch tatsächlich die Augen, sagte aber nichts, sondern säuberte rasch seine Schuhe an der kleinen Matte, die vor der Haustür lag. 

Falls sich die Hausangestellte über diese Muggel-Art die Schuhe zu putzen wunderte, so verkniff sie sich jegliche sichtbare Reaktion und Nate war dankbar dafür. 

In diesem Moment polterte Septimus die Treppe herunter. «Nate», rief er ihm entgegen, «komm herein, komm herein! Wie geht es dir altes Haus, wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen! Nellie, sei so gut und bring uns Tee, in die Stube.»

Dann packte er Nate an der Schulter und schleifte ihn hinter sich her vor das fröhlich lodernde Kaminfeuer, zog ihm einen gemütlichen Sessel heran und platzierte sich selbst gleich gegenüber von ihm. 

«Na, was macht das Radio?», fragte er ihn freundlich.

Nate erzählte ein wenig, es laufe gut, nichts Neues, das Ministerium knausere wie üblich mit Informationen und die politische Lage sei angespannter als je zuvor. 

Septimus hingegen erzählte ihm etwas von einer Arbeit, die er zu schreiben gedenke, etwas von wegen Stationsheiler, aber Nathaniel hörte gar nicht richtig zu. In diesem Moment hatte er etwas entdeckt, dass all seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. 

Über der holzgeschnitzten Truhe, direkt hinter Septimus Sessel, hing an einer Wand ein Zauberstab. 

«… und weisst du, es ist gar nicht so einfach Stationsheiler zu werden, denn man muss nicht nur einen Fallbericht vorstellen, es bewerben sich auch sehr…»

«Septimus», unterbrach Nate ihn, «wem gehört der Zauberstab da hinter dir?»

Septimus drehte sich etwas dümmlich um, als würden da dutzende Stäbe hängen, aber natürlich wusste er genau, um welchen es sich handelte.

«Der gehörte meiner Mutter», sagte er, mit leicht argwöhnischem Unterton. Nate konnte es ihm nicht verübeln, er war nicht die Art Freund, der nur aus Höflichkeit Dinge fragte, er hatte immer einen Plan, ein Ziel vor Augen. So war es schon in Hogwarts gewesen. 

«Darf ich in mir mal ansehen?», fragte er, angespannt, ja erpicht, mehr über dieses wertvolle Holz zu erfahren. 

«Natürlich», antwortete Septimus und er stand auf, um den Stab zu Nate zu bringen. 

Nathaniel verstand definitiv nicht sehr viel von Zauberstäben, aber er drehte und wendete das Holz fachmännisch, um es näher zu betrachten. 

«Palisander und Aethon-Haar, 12 ½ Zoll, federnd», erklärte ihm Septimus da auch schon. Nate hatte keine Ahnung, was Palisander für ein Holz war, aber es hatte einen leicht violetten Farbton, den er noch nie an einem Stab gesehen hatte. 

Ihm war sofort klar, dass dieser Zauberstab etwas Besonderes war, nicht nur wegen der persönlichen Bedeutung, die er für seinen Freund hatte, oder der tragischen Geschichte seiner ehemaligen Besitzerin. Dies könnte sein nächster Stab sein, wenn er nur seine weiteren Worte gut überlegte. 

«Weisst du, Septimus, mein Freund, manchmal treffen sich zwei Wege auf eine Weise, wie man es nie erwartet hätte. Wie es der Zufall will, habe ich vor drei Wochen meinen Zauberstab in einem Duell verloren. Dieser Mistkerl von Armando Newton hat ihn zerbrochen! Aber du hier könntest jetzt meine Rettung sein! Du hast hier einen wunderbaren Zauberstab, wie gemacht für mich und du hast keinerlei Verwendung für ihn. Wir wissen doch beide, dass du am besten mit deinem Lärchenstab zauberst!», schmeichelte Nate. 

Er merkte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte, doch Septimus blickte nur schweigend auf das Stück Holz, dass unschuldig zwischen ihnen auf dem Beistelltischchen lag. Nachdem Septimus sich immer noch weigerte, zu reagieren fragte Nate und er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme ganz leicht zu zittern begann: «Also, mein Freund, würdest du einem Kameraden helfen und ihm deinen Zauberstab hier geben?» Als Septimus endlich aufblickte und er das sich bildende Nein in dessen Augen sah, schob er noch schnell ein «Leihweise?» hinterher.  

Septimus blickte wieder auf den Zauberstab, nahm ihn in die Hand, drehte und wendete ihn und fuhr mit seinem schlanken Zeigefinger die Maserung des Holzes nach. 

«Weisst du, Nathaniel, dieser Zauberstab bedeutet mir sehr viel. Ich frage mich bis heute, warum er das Feuer überlebte, aber sie nicht. Wie kann das sein, ein Stück Holz? Es ist einer der wenigen Gegenstände, die ich noch von meiner Familie besitze. Andererseits, vielleicht geschehen die Dinge ja aus gutem Grund? Weisst du was, du sollst ihn haben! Aber ich möchte ihn zurück, sobald du dir einen eigenen besorgt hast.»

Und während Nate spürte, wie ihm die Last der letzten Tage und Wochen von den Schultern fiel, während er seinem Freund in einem Anflug von Freudentaumel um den Hals fiel, trauerte er dennoch ein wenig über die verpasste Gelegenheit, diese Eliza Goldstein näher kennenzulernen. 

 

-



Nellie wusch leise das Teegeschirr der Herrschaften ab. Leise, nicht damit sie etwa besser lauschen konnte, was sich die Herrschaften zu erzählen hatte, sondern um sie nicht zu stören. Doch bei der Arbeit zitierte sie stumm in Gedanken ihre liebsten Bibelstellen, konzentrierte sich auf die auswendiggelernten Verse, um in Gedanken bloss nicht zu den Stimmen in der Wohnstube zu wandern. 

In diesem Moment hörte sie, wie die beiden Männer sich voneinander verabschiedeten, die Tür öffnete sich und fiel anschliessend ins Schloss. Kurz darauf stand Mr. Weasley in der Tür. Sie blickte kurz auf, nickte ihm höflich zu und als er nichts zu ihr sagte, fuhr sie unbeirrt mit der Arbeit fort. Scheinbar unbeirrt zumindest, innerlich brodelte es. Dass dieser wunderschöne, freundliche, höfliche Mann ihr Herr war, sich für sie interessierte, oder zumindest für ihre Arbeit! Sie konnte es noch immer nicht fassen. Es war besser als in all ihren Träumen. 

In diesem Moment hörte sie, wie er sich rührte, näherkam, dann lehnte er sich an den Küchentisch links neben ihr und sagte, mit einem freundlichen Lächeln: «Weisst du, Nellie, wenn ich hier so sehe, wie du dich abmühst, denke ich mir doch, es wird langsam Zeit für deinen Zauberunterricht. Was meinst du?»

Er fragte sie tatsächlich nach ihrer Meinung! Aber andererseits, sie konnte ja wohl schlecht nein sagen. Schnell wandte sie ein: «Master Weasley, es macht mir wirklich nichts aus…,» aber er meinte nur, «Papperlapapp, nur keine Sorge, ich bin ein guter Lehrer!»

Daran hatte Nellie keine Zweifel, aber sie war bei weitem keine gute Schülerin und dann war da ja auch noch die Sache mit Jesus. Was der wohl dazu sagen würde? Wie sagte noch das zweite Buch Mose, Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen! Andererseits, hiess es da nicht auch in einem der Briefe, waren es die Hebräer gewesen: Gehorcht euren Lehrern und folgt ihnen; denn sie wachen über eure Seelen. Sie blickte Mr. Weasley tief in seine wunderschönen moosgrünen Augen und wusste tief in ihrem Inneren, dass sie ihm trauen konnte. 

Sie legte die letzte Untertasse, die sie gerade noch gründlich gespült hatte, vorsichtig in ihre andere Hand, die bereits ein Geschirrtuch bereithielt, trocknete sie zügig, aber sorgfältig ab und stellte sie zurück in den Geschirrschrank. Fertig! 

Nellie drehte sich zurück zu ihrem Herrn um und nickte. «Ich bin bereit», sagte sie mit fester Stimme, die sehr viel zuversichtlicher klang, als sie sich fühlte und gleichzeitig hoffte sie, dass der Vater im Himmel es ihr vergeben würde.

PLACES

 

St. David's

Amelias Haus

Bahnhof

David's Inn

Kräutergarten

Berkley Park

Strand

Septimus' Haus

HISTORY

22. Januar 1940

Montag

Finnland:
Winterkrieg: Die finnischen Behörden geben die Formation einer Fremdenlegion einschließlich britischer Freiwilliger bekannt.

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