Lady Gaga - Million Reasons
Kapitel XXI
"A night you will never forget"

Ruhigen Schrittes ging sie den dunklen Gang entlang. Ein kurzes Nicken zu den Wachleuten in grün-braunen Uniformen mit dem roten Abzeichen, dann öffneten sich Türen, die anderen verschlossen blieben. In dem düsteren, fensterlosen Raum sass ein Mann mit blutunterlaufenen Augen und hageren Gesichtszügen. Nur wenig erinnerte daran, dass dieser hochgewachsene Zauberer einst sehr gut ausgesehen hatte. Jetzt verdüsterten Schatten die hohen Wangenknochen, das Leuchten war aus den ehemals strahlenden Onyx-Augen verschwunden und die Haut hatte eine ungesund bleiche Farbe angenommen.
Sie wusste, wer er war. Maxim Delahaye, ein junger Künstler von der französischen Südküste, ein Widerstandskämpfer. Ein Aufrührer, der nichts als Ärger verursachte. Ein Geschwür im gesunden Fleisch des magischen deutschen Reiches! Ein Parasit, der sich an der ehrlichen Arbeit deutscher Hexen und Zauberer gütlich tun wollte.
Sie, Gerda, war es, die ihn heute verhören würde. Sie hatte das schon ein paar Mal gemacht, weswegen sie statt Nervosität Freude empfand. Freude, ihrem Vaterland auf redliche Weise dienen zu können.
Gerda nahm Platz, dann beschwor sie sich eine Tasse Kaffee herauf. Sie wusste, dass Delahaye seit Wochen gefangen war, dass er seitdem nicht viel mehr als Wasser, dünne Suppe und Brot bekommen hatte, doch das war ihr egal. Er konnte froh sein, dass er nicht längst in eines der Arbeitslager verfrachtet worden war, sondern noch den Luxus einer einigermassen trockenen Zelle geniessen durfte. Leicht überrascht nahm sie war, dass der Mann keine Miene verzog, als der Duft nach gerösteten Bohnen den Raum erfüllte.
«Guten Morgen, Herr Delahaye», sagte Gerda mit ihrer lieblichen Stimme. Sie mochte nicht so hübsch sein wie ihre jüngere Schwester sein, aber sie wusste, dass ihre Stimme Eindruck hinterliess. Sie war sogar schon von Freunden gefragt worden, warum sie nicht in der magischen Staatsoper der Walpurger als Solistin auftrat, aber hatte lächelnd verneint. Es ging ihr um das grosse Ganze, nicht darum, sich aufgrund persönlicher Befindlichkeiten in den Vordergrund zu drängen.
«Wie geht es Ihnen?», fügte sie an. Eine gemeine Frage. Natürlich ging es ihm mit Sicherheit nicht gut. Zumindest, wenn man ihn in diesem miserablen Zustand betrachtete.
«Guten Tag. Mir geht es hervorragend! Wie geht es Ihnen, Mademoiselle?», antwortete Delahaye. Seine Stimme war leicht rau, als hätte er seit langem nichts getrunken. Dabei klang er, als wären sie bei irgendeiner Soiree, bei einer angenehmen Veranstaltung und nicht im Keller der magischen Reichskanzlei. Für einen Moment erschrak Gerda. Sie wusste, wie man mit Wut umging, mit gezischten, feindseligen Beleidigungen, aus denen doch nichts sprach als Machtlosigkeit, doch mit gelassener Freundlichkeit? Das hatte sie so nicht erwartet, doch sie konnte sich anpassen. Die Fassade wahren.
«Erzählen Sie mir mehr über die Société de la sedition. Wir wissen von einem ihrer Komplizen, dass sie Mitglied waren! Dionysia Chevalier hat uns alles verraten», sagte Gerda sanft. So viel hatte die junge Französin gar nicht preisgegeben, aber das spielte hier ja keine Rolle. Sie würde noch mehr erzählen, so viel war sicher. Die Reichskanzlei erprobte mittlerweile systematisch Substanzen an Gefangenen, die Halluzinationen und Wahnvorstellungen auslösten. Das brach jeden. Gerda erschauerte bei dem Gedanken daran, aber ungewöhnliche Umstände erforderten angemessene Mittel.
«Was wollen Sie von mir hören, Mademoiselle? Sie erwarten von mir, dass ich meine Sinnesgenossen verrate, Ihnen, dem Feind? Das kann ich nicht. Eher sterbe ich.»
Gerda war irritiert. Sie war sich nicht sicher, ob sie für ihre Überzeugungen sterben würde. Doch dieser Mann schien wie aus Stein zu sein, mit einem eingemeisselten Lächeln, dass ihm nicht einmal die Folter aus dem Gesicht hatte wischen können. Er würde sogar stolz in den Tod gehen, wenn es sein musste. Sie hatte wenig Hoffnung, aus ihm irgendwelche sinnvollen Informationen herauszubekommen. Und doch musste sie es weiter versuchen.
Sie nippte an ihrer Tasse Kaffee, um über ihre Verwirrtheit hinwegzutäuschen und verbrannte sich prompt die Zunge. Verdammt! Was für ein furchtbarer Tag!
«Wir werden es morgen wiederversuchen», sagte sie und hoffte, dass Delahaye ihr die Niederlage nicht anmerkte, dann stand sie auf und ging zur Tür. Kurz, bevor sie die Zelle verliess, fragte Herr Delahaye: «Dürfte ich Sie um ein Taschentuch bitten, Fräulein…?»
«Gerda Goldstein», antwortete die junge Hexe verwirrt. War das ein Trick? Misstrauisch gab sie ihm ihr Tuch, es war weiss, mit hellblauem Rand und eingestickten Initialen.
Im Hinausgehen murmelte sie den Wachen zu: «Gleiche Tests heute, aber erhöht die Dosis ein wenig.»
Oben in ihrem Büro angekommen, nahm sie Platz und fing an, an ihrem Bericht über Chevalier zu tippen. Wenigstens eine erfolgreiche Befragung wollte sie ihrem Chef vor Feierabend noch präsentieren. Klack, klack, klacker. Die Schreibmaschine hackte die schwarzen Buchstaben in das reine weisse Papier, wie Fussabdrücke in Morgenschnee. Sie überhörte in ihrer Konzentration fast das Klopfen an der Tür. Es war ihr Chef, Cyril Baron von Rommersdorf. Schnell stand Gerda auf und errötete, als sie ihn begrüsste und er ihr zur Antwort ein Lächeln schenkte. Die beiden unterhielten sich eine Weile über Berichte und die weiteren Aufgaben, die Gerda im Laufe des Tages erledigen sollte. Dann, gerade als Gerda dachte, dass das Gespräch beendet sei und sie im Kopf schon wieder fast bei der jungen französischen Hexe war, ergriff Rommersdorf noch einmal das Wort.
«Gerda! Da fällt mir ein, heute Abend findet in der Berliner Kammerphilharmonie ein Violinen-Konzert statt. Sind Sie nicht selbst musikalisch begabt? Das interessiert Sie doch bestimmt. Ich habe Karten!»
Gerda errötete erneut lieblich und lächelte begeistert. Rommersdorf lud sie zu einem Konzert ein? Er war sowohl stattlich als auch von guter Abstammung, reinblütig über dutzende Generationen und auch nicht unvermögend. Natürlich wollte sie mit! Schnell stimmte sie zu, dann verliess er das Büro. Vielleicht war der heutige Tag ja doch nicht so furchtbar!
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Der Kammerdiener zupfte gerade noch an der Fliege, als Armando ihn unwirsch zur Seite schob und ruppig sagte: «Gehen Sie, das schaffe ich allein!» Er hatte jetzt keine Geduld für die Ungeschicklichkeiten eines Muggels. Normalerweise verachtete er sie nicht, aber am heutigen Abend war er mehr als gewillt, seine schlechte Laune an jedem auszulassen, der ihm in die Quere kam.
Es war der vierzehnte Februar. Der Tag, den seine Eltern herbeigesehnt hatten, vor dem er jedoch eine Heidenangst hatte. Er hatte Louise, die immerhin seine Angetraute werden sollte, seit einem Monat nicht mehr gesehen. Seine Mutter hatte ihn immer wieder ermahnt, ihr trotz seiner knapp bemessenen Zeit zumindest zu schreiben, aber er hatte immer wieder die Arbeit vorgeschoben.
Je länger er es herausgezögert hatte, desto schlimmer war seine Panik geworden und nun war es zu spät. Er würde diese Porzellanpuppe heute Abend wiedersehen und er hatte immer noch keine Ahnung, was er zu ihr sagen sollte. Wie er sich verhalten sollte. Ja, zum Teufel, was er überhaupt für sie empfand!
Was, wenn all das bedeutete, dass er niemals glücklich werden würde mit diesem blonden Mädchen? Wäre er bereit zu einem Leben in Wehmut und Traurigkeit, Frust und unterdrückter Wut? Er hatte darauf keine Antwort.
Immerhin würden ihm heute seine wenigen Freunde zur Seite stehen. Septimus Weasley war natürlich eingeladen, immerhin war seine Tante eine Koryphäe der magischen Gesellschaft und auch Timotheo Knight würde da sein, da seine Familie seit Jahrzehnten in St. David’s lebte.
Mit einem wohl gewählten Schlenker seines Zauberstabs, er wollte immerhin seinen Festumhang nicht anzünden, ordnete er seine Klamotten und trank einen grossen Schluck aus dem Whiskeyglas, dass auf der Kommode stand. Dann schnaufte er noch einmal tief durch, bevor er sein Zimmer verliess und sich auf den Weg in die Eingangshalle machte, um die ersten Gäste zu begrüssen. Solange er aus dem Augenwinkel sicherstellte, dass das nächste Glas Champagner in Reichweite war, würde der Abend vielleicht einigermassen erträglich werden.
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Tuppence hatte sich tatsächlich ein Kleid von Melody ausgeliehen, die ihr natürlich bereitwillig ausgeholfen hatte, als ihr Bruder sie darum gebeten hatte. Sobald sie erfahren hatte, dass Theo zum Ball eingeladen war, ja, den Newton-Erben sogar kannte, hatte sie ihn bekniet, sie als Begleitung mitzunehmen. Zunächst hatte Timotheo Knight sich gesperrt, vermutlich hatte er schon geahnt, dass Tuppences Interesse nicht mit dem Anlass selbst sondern vielmehr mit dessen Gästen zusammenhing.
Doch seine Mutter hatte schliesslich ein Machtwort gesprochen und ihren Sohn vorwurfsvoll darauf hingewiesen, dass er unmöglich ohne Begleitung auf einem Ball erscheinen konnte, wenn er kein Gerede über die Familie bringen wollte. Schon gar nicht zu einem Verlobungsball! Tuppence konnte es nur recht sein, dass Mrs. Knight die Vorstellung, endlich eine künftige Schwiegertochter gefunden zu haben, noch nicht gänzlich aufgegeben hatte.
Sie sah toll aus, das hatten ihr sowohl Melody, als auch Mrs. Knight versichert. Und doch war Tuppence ein wenig nervös. Bei solchen gesellschaftlichen Anlässen fühlte sie sich nicht nur oft fehl am Platz. Sie hatte auch das Gefühl, dass jeder sie anstarrte, als seien die Worte Bastard und Halbblut auf ihre Stirn gebrannt. Nicht, dass sie oft zu solchen Partys eingeladen gewesen wäre.
Wenn sie es mal schaffte, sich auf dem ein oder anderen Weg Zugang zu einem dieser Reinblüteranlässe zu verschaffen, wurde sie meistens hochkant rausgeschmissen, sobald jemand ihren Aufnahme-Stein entdeckte.
Es war nicht weit zum Anwesen der Newtons, und Timotheo hatte darauf bestanden, zu Fuss zu gehen, und so schritt Tuppence an seinem Arm in Melodys ungewohnt schwerem Kleid die gepflasterte Hauptstrasse von St. Davids entlang.
«Müssen Sie sich so an mir festklammern?», wisperte er ihr unbehaglich zu, als sie ein paar Fussgänger kreuzten. «Die Leute denken noch sonst was!»
«Sollen sie doch denken», wisperte Tuppence zurück, «ausserdem bin ich nicht sicher, ob ich in diesen Schuhen den Hügel ohne Ihre Hilfe bewältige, und Sie wollen mir doch nicht etwa aus dieser Pfütze dort aufhelfen müssen?»
Je näher sie dem Anwesen kamen, desto mehr wirkte es wie eine Drohung denn wie ein Zuhause. Wasserspeier blickten sie böse von den Zinnen an, immergrüne Hecken waren zu bedrohlichen Formen gestutzt und livrierte Diener warfen Tuppence herablassende Blicke zu. Zumindest kam es ihr so vor.
Timotheo an ihrer Seite drückte ihr aufmunternd die Hand. Dann stiegen sie die breite Eingangstreppe in den Salon empor. Schon nach kurzer Zeit hatten sie die zukünftige Braut entdeckt, die fast schon übertrieben lieblich in ihrem weissen Ballkleid aussah. Sie hatte eher etwas von einer Debütantin als von einer Braut, mit ihren kindlichen Gesichtszügen und den blonden, hochgesteckten Locken, in die weisse Rosenblüten geflochten waren. Dazu war sie mit Schmuck behängt, wie ein Christbaum.
Tuppence wusste, sie hätte neidisch sein können. Dieses Mädchen war reicher, als sie es jemals sein würde und angelte sich einen noch reicheren Ehemann, eine wirklich gute Partie. Und doch, wie Louise Ratcliff dastand, flankiert von ihren Eltern und unentwegt lächelnd, fühlte Tuppence mehr Mitleid als Eifersucht.
Eilig schleuste Timotheo Tuppence zur Begrüssung an den Gastgebern, Mr. und Mrs. Newton, vorbei, dann drückte er sie auf ein rotes, plüschiges Sofa und verschwand, um etwas zu trinken zu holen. Das Möbel mit den vergoldeten Löwenfüssen kostete vermutlich mehr als ihr gesamter Besitz, und automatisch richtete Tuppence die Wirbelsäule auf. Plötzlich spürte sie, wie das Polster etwas nachgab. Ein junger Mann mit dunkelblonden Haaren hatte sich zu ihr gesetzt. Sie kannte ihn nicht, auch wenn er ihr vage bekannt vorkam.
«Guten Abend», fing sie höflich das Gespräch an. Der Mann roch gut, nach Tannenholz und irgendeinem teuren Parfüm.
Beinahe überrascht drehte er sich zu ihr.
«Guten Abend, werte Dame.»
Er klang nicht, als würde er besonderen Wert darauf legen, sich mit Tuppence zu unterhalten, aber immerhin hatte er sich zu ihr gesetzt. Sie wagte eine Frage.
«Kennen Sie den Bräutigam gut?»
«Oh, ich denke, ich kenne ihn so gut, wie ihn nur irgendjemand kennen kann.»
Innerlich jubelte Tuppence, das war ihre Gelegenheit, ein paar Hintergrundinformationen abzustauben. Sie hatte vor, einen Bericht über die Newtons für das Radio zu verfassen. Ein bisschen Klatsch, ein bisschen Tratsch. Eigentlich nicht ihre Sparte, aber man nahm, was man kriegen konnte. Und irgendwelche Geschichten zu schreiben war immer noch besser als gar keine Stimme zu bekommen. Gerade bei einem pikanten Thema wie der Hochzeit zwischen einem der begehrtesten magischen Junggesellen und einem reichen Muggelmädchen musste doch etwas Spannendes rauszuholen sein. Eine unbekannte Insolvenz vielleicht? Oder am Ende gar eine ungeplante Schwangerschaft?
Während sie vor Aufregung am liebsten auf dem Sofa herumgehüpft wäre, blieb sie nach aussen ruhig und fragte fast schon gleichgültig: «Und was meinen Sie, was hält er von der Braut?»
«Er hält sie für den grössten Fehler, der ihm im Leben begegnen wird. Er denkt ernsthaft darüber nach, noch heute für einen Skandal zu sorgen und die Hochzeit abzublasen.»
Tuppence spürte, wie das Kribbeln unter der Kopfhaut anfing, ein sicheres Zeichen, hier an etwas Grösseren dran zu sein. In diesem Moment sah sie Timotheo mit zwei Gläsern Champagner zurückkommen und stellte rasch ihre letzte Frage: «Was meinen Sie, was braucht es, damit das heute Nacht noch passiert?»
«Nun, wenn der Bräutigam in diesem Tempo weiter Alkohol trinkt, dann stehen die Zeichen gut! Habe die Ehre!»
Und mit diesen Worten stand der Blonde auf und schritt geradewegs auf einen Kellner zu, nahm zwei Flöten Champagner von seinem Tablett und leerte beide in kurzen Abständen. Tuppence sah ihm verblüfft hinterher. Timotheo, der nun direkt vor ihr stand, drückte ihr ein Glas mit prickelnder Flüssigkeit in die Hand und sagte: «Ach, wie ich sehe, hast du Armando Newton schon kennengelernt!»
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Rosalia sah blendend aus. Dazu brauchte sie nicht die ehrfürchtigen Blicke der anderen Gäste, die ihr wie Fliegen dem Licht folgten. Auch ihr eigenes Urteil war ihr, was das anging, nicht sehr wichtig. Das Einzige, was zählte, waren die Worte ihrer Grossmutter. Das Kleid war eine ihrer letzten Kreationen. Obwohl es schon ein paar Jahre her war, dass Malvine Greengrass in Rente gegangen war, hatte sie das Schneidern doch nie ganz aufgegeben. Und als Rosalia endlich, nach einer Stunde des Haare Eindrehens und Schminkens die Treppe von ihrem Zimmer heruntergekommen war, hatte ihre Grossmutter anerkennend genickt.
Nun war Rosalia hier, alleine. Ihre Grossmutter hatte zwar eine Einladung erhalten, war jedoch daheim geblieben. Obwohl es ihr schon viel besser ging, war sie immer noch ziemlich schwach auf den Beinen und fühlte sich nicht gesund genug für eine Veranstaltung wie diese. Rosalia war nicht nur als Delegation der Familie de Vautart gekommen, sie war auch in ihrer Rolle als Armandos Freundin hier. Er hatte der Einladung sogar eine persönliche Notiz beigefügt.
Wenn du gehst, gehe ich auch.
Rosalia wusste natürlich genau, was er mit den zweideutigen Worten meinte. Und obwohl ihr bereits klar war, dass sie nach Frankreich gehen würde, war sie nicht sicher, warum Armando sie begleiten wollte. Weil er noch immer Gefühle für sie hatte, freundschaftliche oder anderer Natur blieb mal dahingestellt. Oder weil er Schuld empfand? Vielleicht wollte er auch einfach nur vor seiner Braut weglaufen.
Sie konnte es ihm nicht verübeln. Rosalia hatte anstandsvoll gegrüsst, war aber froh gewesen, als sie von diesem Kind weggekommen war. Dieses Mädchen war einfach keine Partnerin für einen Mann wie Armando. Und sie kannte Armando gut genug, um seine unbehagliche Zappelei und die verstohlenen Blicke nach dem nächsten Glas Champagner deuten zu können. Beinahe hätte er ihr leidgetan.
Nun beobachtete Rosalia, wie Armando, zwei Gläser Champagner runterstürzend, durch den Raum taumelte. Schnell ging sie auf ihn zu und fing ihn mehr auf als dass sie ihn zur Begrüssung umarmte.
«Mach langsam», hauchte sie ihm ins Ohr, «deine Mutter beobachtet dich schon!»
Die ersten Leute drehten sich pikiert nach ihnen um. Rosalia ignorierte es.
«Armando? Geht es dir gut?», fragte sie ihn besorgt.
«Mir geht es blendend!», rief er mit diesem schiefen Lächeln auf den Lippen, das sie einst geliebt hatte, von dem sie jetzt aber vermutete, dass es Traurigkeit bedeutete. Mit nun eindeutiger Ironie fügte er an: «Ich werde heiraten und ich könnte nicht glücklicher sein!»
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Es war bereits kurz vor acht Uhr, als Septimus es endlich zu Berkley House schaffte. Er hatte noch ewig im St. Mungo festgehangen und war spät daheim angekommen. Nellie, die gute Seele, war bereits mit seinem Festumhang bereitgestanden und hatte ihm noch schnell seine guten Lackschuhe poliert, während er sich rasch mit einem Kämmzauber versucht hatte zu frisieren. Nun war er da, ein wenig spät vielleicht, aber doch noch rechtzeitig, um dem Bräutigam seine Aufwartung zu machen.
Er hatte ein Geschenk dabei, ein Buch über Ehen zwischen Magiern und Muggeln und hoffte, dass das gut ankam. Für die Braut hatte er einen Ratgeber über Hausmittelchen mitgebracht, die helfen sollten, schneller schwanger zu werden. Er war nicht sicher, ob das angebracht war, aber der Verkäufer im Buchladen hatte ihm diesen Band ans Herz gelegt.
Kaum stand Septimus in der Eingangshalle, kam ihm die Hausherrin entgegen und begrüsste ihn freudestrahlend. Cassiopeia Newton hatte schon immer einen Narren an ihm gefressen gehabt. Eine kurze Begrüssung später hatte er bereits eine Champagner-Flöte in der Hand und Mrs. Newton schritt zum nächsten Gast, während Septimus etwas verloren im Raum stand, seine Geschenke immer noch in der Hand.
Er nutzte die Gelegenheit sich umzusehen. Er war seit Jahren nicht mehr hier gewesen, aber bis auf die Verlobungs-Dekoration hatte sich der Raum in keinster Weise verändert. Die gesamte Halle war mit weissen und roten Rosen geschmückt und Kellner in Fracks verteilten Häppchen auf goldenen Platten. Wo Mrs. Newton im Winter so viele Rosen herbekam liess sich wohl nur mit Magie erklären. Septimus blickte sich weiter um, in der Hoffnung, jemanden zu entdecken, der ihm bekannt erschien.
In diesem Moment entdeckte er in der Ferne seinen Bruder, weswegen er sich schnell aus dem Staub machte, raus auf die Terrasse. Auch hier war eine grosse Menschenmenge versammelt, auch wenn es im Vergleich zu den überhitzten und von Blumendüften geschwängerten Innenräumen ziemlich kalt war.
Am steinernen Geländer der übertrieben grossen Terrasse fand er einen Moment, um inne zu halten. Es war eine sternenklare Nacht und der Mond spiegelte sich im Teich. Natürlich waren die Bäume alle kahl, doch auf den Wegen durch die immergrünen Hecken schienen tausende Kerzen aufgestellt worden zu sein. Auf jeden Fall leuchtete der Garten zu seinen Füssen beinahe mehr als der Sternenhimmel über ihm. Septimus hatte noch Gelegenheit sich zu fragen, ob die Kerzen wohl magisch präpariert waren, damit sie die ganze Nacht brannten, als er von einer ihm unbekannten, weiblichen Stimme angesprochen wurde.
«Ist Ihnen die ganze Dekadenz da drinnen auch zu viel?», fragte eine junge Brünette, die in respektvollen Abstand neben ihm an das Geländer gelehnt stand. Dann fuhr sie fort: «Entschuldigen Sie bitte, Sie sahen aus, als würden Sie sich über Gesellschaft freuen. Aber wenn Sie lieber die Stille geniessen, lasse ich Sie natürlich alleine.»
Septimus überlegte einen Moment, dann wusste er, was er wollte: «Nein, nein! Sie stören überhaupt nicht. Sind wir uns schon vorgestellt worden?»
«Amelia Thompson. Mein Ehemann ist Isaac Thompson.»
«Natürlich! Ich kenne Ihren Mann von Hogwarts! Er war Sucher für Gryffindor, nicht wahr? Septimus Weasley, habe die Ehre!»
«Was machen Sie beruflich, Mr. Weasley?», fragte die junge Mrs. Thompson.
«Ich bin Heiler», antwortete der Angesprochene, nicht ohne jeden Stolz.
«Oh, dann muss ich Sie ja mit Herr Doktor anreden!», antwortete Mrs. Thompson lächelnd.
Selbst in der Dunkelheit konnte er erkennen, dass Mrs. Thompson hübsch war, vor allem wenn sie lächelte. Sie mochte keine Schönheit sein, über die die Poeten Gedichte schrieben, doch Septimus hatte schon immer einen Sinn für verborgene Schätze gehabt. Er lächelte ebenfalls, dann wechselte er rasch das Thema: «Wie geht es Ihrem wehrten Ehemann? Ist er ebenfalls hier?»
Amelia Thompson hatte gerade noch Zeit zu antworten: «Nein, er ist in Frankreich…» als in diesem Moment Tante Arielle auf der Terrasse auftauchte. «Septimus, mein Lieber! Magst du mir die junge Dame nicht vorstellen?», begrüsste sie ihn wie einen Schuljungen.
«Meine Tante Arielle Weasley, das hier ist Mrs. Amelia Thompson. Ihr Ehemann», er betonte das Wort warnend, «war mit mir in Hogwarts.»
«Ach, wie angenehm», sagte seine Tante und schüttelte der jungen Mrs. Thompson hoheitsvoll die Hand. Septimus wollte gerade sein Gespräch fortsetzten und mehr über den Werdegang von Isaac herausfinden, als von drinnen laute Stimmen ertönten.
Septimus drehte sich mit einem unheilvollen Gefühl im Magen um, denn auch wenn ihm die Männerstimmen nicht bekannt vorkamen, klangen sie nach Ärger. Er spürte die missbilligenden Blicke seiner Tante und bemerkte aus dem Augenwinkel den verwirrten Gesichtsausdruck von Mrs. Thompson, als Septimus mit versteinerter Miene zurück in den Ballsaal trat. Vielleicht hätte er es besser wissen sollen. Er hätte mit Sicherheit mehr Weisheit bewiesen, wenn er die Männer einfach ignoriert hätte.
Doch als er sah, wie sich die grün uniformierte Gruppe schallend lachend nach einer jungen Brünetten, die neben Timotheo Knight stand, umdrehte und offensichtlich unverschämte Bemerkungen machte, liess ihn jeder Verstand im Stich.
Er marschierte auf den Rädelsführer zu und sagte durch zusammengebissene Zähne: «Entschuldigen Sie bitte, aber würden Sie aufhören, die anderen Gäste zu belästigen?»
Der Anführer lachte Septimus nur frech ins Gesicht. Auf seiner Uniformjacke war ein kleines Namensschild befestigt. Als Septimus einen kurzen Blick darauf warf, um sein Gegenüber besser ansprechen zu könne, erstarrte er und Übelkeit erfüllte ihn, so zornig wurde er. Er hatte das Gesicht in jener Nacht aufgrund der Dunkelheit nicht erkennen können, aber Nellie hatte ihm den Namen ihres Peinigers verraten. Ebendiesen Namen las er nun auf dem Messingschild.
«Herr Epson», sprach Septimus ruhig, doch die Anspannung in seiner Stimme war kaum zu überhören. «Wir wurden einander nicht offiziell vorgestellt, aber sie werden sich sicher an Nellie Stalford erinnern? Jung, braune Haare, grosse Augen? Kommen Sie, Mann, es ist keine fünf Tage her, dass Sie ihre Bekanntschaft gemacht haben.»
«Nellie, Nellie,…? Ach, meinen Sie etwa die kleine Dienstmagd, die unseren kleinen Wettbewerb gewonnen hat? Sie darf sich gerne bei uns melden und sich noch … ihren Preis abholen.»
Die Gruppe um Epson brach in schallendes Lachen aus, doch als sie den Blick des jungen Zauberers bemerkten verstummte auch der letzte von ihnen.
«Ich glaube, Sie gehen jetzt besser», sprach Septimus bewusst ruhig. Auch wenn ihm die anderen fünf zu eins überlegen waren, erfüllte das Wissen um seinen Zauberstab im Ärmel und Timotheo und Armando hinter ihm ihn mit seltsamer Ruhe.
«Wissen Sie was?», antwortete Epson leise, doch Septimus verstand ihn trotzdem. «Das glaube ich nicht», fuhr der Offizier fort. «Was denken Sie eigentlich wer Sie sind? Mein Vater ist Tyson Epson! Und Sie? Sie sind ein Niemand! Hier wird mich keiner rauswerfen!»
«Dann lassen Sie mir keine Wahl, als mit dem Hausherrn zu sprechen. Ich gebe Ihnen eine letzte Chance, in Frieden zu gehen, bevor ich Ihnen in den Hintern treten, dass Sie drei Wochen nicht sitzen können!»
Epson wurde nicht rot, aber ein Hauch von pink legte sich auf seine Wangen. Trotzdem machte er sich nicht in Richtung Ausgang auf. Septimus nickte und wollte sich gerade abwenden, um Armando aufzusuchen, als ihn noch in der Drehung eine Faust am linken Auge traf.
Seltsam, dachte er. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal auf Muggelart geschlagen hatte. Das musste in seiner Kindheit gewesen sein, wahrscheinlich sogar noch vor dem Tod seiner Eltern? Fast musste er lachen, als er darüber nachdachte, was einem für Gedanken durch den Kopf gehen, wenn man Sterne sieht.
Septimus spürte, wie er durch den Schlag nach vorne stolperte, sich versuchte zu fangen, doch dann einen Kellner mitsamt vollem Tablet umriss. Er überlegte sich im Fallen gerade noch, ob er der Grössere sein und zusehen sollte, wie die Gruppe um Epson herausgeworfen wurde, oder ob er seinen Emotionen für einmal nachgeben und den Offizier zu Brei schlagen sollte.
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn während er, bedeckt von Scherben und klebrigem Getränk, am Boden lag, rauschte ein schwarz gekleideter Mann an ihm vorbei und stürzte sich, sich einer Naturgewalt gleich, auf die lachenden Soldaten.
Septimus konnte nicht gleich erkennen, wer es war, denn er sah nicht nur leicht unscharf, irgendwie war auch das Licht auf einmal sehr grell. Doch die entsetzten Schreie, das Verstummen der Musik und das Kreischen von Louise liessen ihn schnell ahnen, dass es der Bräutigam war, der da Schläge austeilte wie ein Besessener.
Septimus versuchte aufzustehen. Die Tatsache, dass sein linkes Auge langsam aber sicher zuschwoll, kam ihm gelegen, denn nun sah er wenigstens nicht mehr doppelt. Noch bevor er auf Epson zu taumeln konnte, der gerade Schläge auf den Rücken seines Freundes prasseln liess, während Armando seinerseits einen anderen Offizier mit seiner Faust traktierte, spürte er eine weitere Gestalt an sich vorbeirauschen.
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Ein bisschen beleidigt war Amelia ja schon, als Mr. Weasley einfach so an ihr vorbeimarschierte und sie mit seiner Tante allein liess. Eine Weile plauderte sie dennoch mit Arielle Weasley, die sie interessiert ausfragte, auch wenn sie enttäuscht wirkte, als Amelia erzählte, dass sie verheiratet war.
Amelia erzählte, dass sie ihren kleinen Sohn bei der Nachbarin gelassen hatte, dass ihre lieben Eltern leider heute verhindert waren und dass ihre Schwester mit dem Mr. Cammendear verheiratet war.
Mrs. Weasley fing gerade an über den Londoner Klatsch zu reden, mit dem sich Amelia weder auskannte noch sich für ihn interessierte. Mit halbem Ohr zuhörend und unentwegt freundlich lächelnd, erinnerte sie sich zurück, wie sie die Einladung für diese Party erhalten hatte.
Natürlich wusste sie, dass Armando Newton ein alter Freund ihres Mannes war. Isaac war Sucher für Gryffindor gewesen und als Mr. Newton in sein zweites Schuljahr kam, war Isaac gerade Vertrauensschüler geworden.
Und doch hatte Amelia irgendwie nicht mit einer Einladung gerechnet, als sie den Brief an ihren Mann adressiert von der Eule gelöst hatte, die ihn brachte. Stundenlang war sie ruhelos um den Tisch getigert, auf dem sie den Umschlag abgelegt hatte.
«Mrs. Isaac Thompson» stand da in wunderschöner Schnörkelschrift. Ihr Ehemann. Wer würde ihr einen Brief schreiben? Sie hatte keine weiter entfernt lebenden Freunde, ihre Schwester und Mutter würden sie direkt mit ihrer Anwesenheit belästigen und Isaac schrieb nicht so förmlich, mal davon abgesehen, dass sie jeden Schwung seiner Handschrift kannte, als wäre es ihre eigene. Der Brief sah offiziell aus.
In ihrer Erinnerung sah Amelia, wie sie, mit vor Angst zitternder Hand den Umschlag umdrehte, um das Siegel in Augenschein zu nehmen. Ein Löwe. Kein M, für Ministerium, kein Schwert mit einem Zauberstab gekreuzt für die magische Armee und auch nicht das Zeichen für das St. Mungo-Hospital. Dies war das Siegel der Familie Newton! In ihrer Angst vor dem Schlimmsten hatte Amelia bereits mit einer Todes- oder Versehrtenmeldung ihres Ehemannes gerechnet, aber mit einer Einladung für eine Party?
Zuerst hatte sie höflich absagen wollen. In Gedanken hatte sie ihre Eltern gesehen, wie sie sich zunickten und sich sagten: «Ja, das war zu erwarten, dass Amelia, die alte Langweilerin, absagt. Kaum ist sie verheiratet, traut sie sich nicht mehr aus dem Haus, man kann ja froh sein, wenn sie das Bett verlässt. Bleibt lieber daheim bei ihrem Kind als sich ihrer gesellschaftlichen Pflicht zu stellen.» Dann war Abigail vor ihrem inneren Auge aufgetaucht, die sie auslachte und sagte: «Amy, mit dir kann man nie Spass haben. Sei doch einmal vorzeigbar!»
Kurzentschlossen hatte sie mit einer Zusage geantwortet, eine Betreuung für Charlie organisiert und sich daran gemacht, ihr altes Ballkleid zu ändern. Sie hatte es das letzte Mal vor der Geburt ihres Sohnes, bei ihrer eigenen Verlobungsfeier getragen und hatte seitdem doch ein wenig an Rundungen gewonnen. Und obwohl sie sich innerlich einredete, dass es ein langweiliger Abend mit langweiligen Leuten werden würde, dass sie eigentlich gar keine Lust hatte und dass sie stattdessen mit einem Glas warmer Milch im Bett liegen könnte, hatte sie sich dennoch gefreut, sich mal wieder herauszuputzen.
In dem Moment merkte sie, dass Mrs. Weasley verstummt war. Sie errötete, weil sie dachte, man habe sie beim Träumen erwischt. Amelia wollte gerade gezwungen fröhlich weiterplaudern, als sie von drinnen zerbrechendes Glas hörte. Bevor sich Amelia, die mit dem Rücken zur Tür stand, überhaupt umdrehen konnte, schrie Arielle Weasley bereits: «Nicht mein Junge!»
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Der entsetzte Schrei seiner Mutter konnte Timotheo nicht aufhalten. Wenn jemand seine Freunde schlug, dann hatte er da einzugreifen. Er wandte sich Tuppence zu, die mit offenem Mund neben ihm stand und drückte ihr das Champagnerglas und sein Jackett in die Hand.
«Halten Sie mal kurz!»
Das hatte immerhin seine Mutter glatt gezaubert! Ursprünglich war sein, zugegebenermassen nicht gut durchdachter Plan nur gewesen, Armando zurückzuhalten und die Kerle rauszuwerfen. Doch als der erste Muggel Timotheo mit seiner Faust hart im Magen traf, kannte auch er kein Halten mehr.
Das Rauschen in den Ohren des Auroren übertönte alles, die entsetzten Schreie der Zuschauer, das Weinen von Louise Ratcliff und selbst das Stöhnen von Mrs. Arielle Weasley, die immerfort rief: «Nicht mein Junge!»
Wild um sich schlagend versuchte er sich Seite an Seite mit Septimus und Armando gegen die Soldaten zu wehren. Auch jetzt noch waren die Offiziere in der Überzahl, doch gegen die entfesselte Wut von Armando und die geschickten Treffer von Septimus waren sie chancenlos. Gerade, als es so aussah, als würden sie die Überhand gewinnen und die Soldaten sich in Richtung Ausgang zurückziehen um die Flucht zu ergreifen, durchdrang eine Stimme die Festhalle.
«GENUG!», donnerte Cassiopeia Newton, die soeben die Treppe in den Ballsaal hinuntermarschierte.
«Das. Ist. Genug», sagte sie, doch ihre Worte waren kaum mehr als ein Zischen. Ein knappes Nicken von ihr, dann spürte Timotheo, der eben noch auf dem Boden gelegen war, wie ihn jemand auf die Füsse zog und ihm einen harten Stoss in den Rücken gab, der ihn in Richtung der Gastgeberin taumeln liess. Ein Blick zur Seite verriet ihm, dass einige Diener in den Farben der Newtons vorgetreten war und auch die anderen Streithälse getrennt hatten.
«Was um Himmels Willen haben Sie sich dabei gedacht?», fragte Mrs. Newton. Im Saal war es totenstill, selbst die Braut hörte auf, hysterisch zu schniefen. Niemand antwortete. Timotheo schwieg, peinlich berührt. Nie hatte er sich so unverzeihlich im Angesicht der Öffentlichkeit benommen. Betroffen senkte er seinen Blick zu Boden, weg vom maskenartigen Gesicht der Hausherrin, weg vom verweinten Antlitz von Miss Ratcliff und weg von den zornigen Blicken seiner Mutter. Er schämte sich.
«Ich hoffe Ihnen ist allen klar, was für einen Skandal sie heute produziert haben», fuhr sie fort und es kam Theo so vor, als würde sie dabei insbesondere ihn, Armando und Septimus anschauen. In diesem Moment war er sehr froh, dass keiner seinen Zauberstab gezogen hatte.
«Sie gehen jetzt besser! Seien Sie sich bewusst, dass der Abend Konsequenten haben wird, für sie alle!», drohte sie noch abschliessend, bevor sie sich der rot verquollenen Louise zuwandte und kaum hörbar zischte: «Reissen Sie sich zusammen. Vielleicht sollten Sie ihr Gesicht etwas… herrichten.»
Als sie sich gerade auf den Weg in Richtung Ausgang machten, immer noch eskortiert von der Dienerschaft, rief Cassiopeia Newton: «Du bleibst hier, Armando!», und es klang wie eine Drohnung.
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Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet! Mit Drama und Klatsch, ja. Aber mit einer handfesten Prügelei und Blutvergiessen? Was für ein Skandal! Tuppence blickte kurz Timotheo hinterher, der soeben die Halle verliess. Doch noch ehe sie ihm folgen konnte, sah sie, wie Mrs. Catherine Knight ihrem Sohn hinterherstürmte und sie überlegte es sich anders. Bei der Schimpftirade wollte sie lieber nicht dabei sein.
Mrs. Knight war nicht als einzige wütend, denn in diesem Moment wurde Tup Zeugin, wie sich eine stattliche Frau mit einem weissen Fuchs um den Hals durch die Menge bahnte und nach einem Lancelot suchte, wütend schimpfend auf die Soldaten, die ihren «armen Jungen» so zugerichtet hatten.
Die Gastgeberin wies in der Zwischenzeit die Diener an, das zerbrochene Glas zusammenzukehren und schnell mehr Champagner zu verteilen, während das Orchester zu einem fast schon schmerzhaft fröhlichen Walzer anstimmte.
Tuppence ertrug es keine Sekunde länger. Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge, stiess dabei fast Rosalia de Vautart um, die ihr kurz nachblickte, doch Tuppence floh beinahe über die Terrasse und die steinernen Stufen hinunter in den Garten. Die Wege durch den Park des Anwesens waren mit Kerzen erleuchtet, doch Tuppence stolperte trotzdem beinahe über ihre eigenen Füsse. Blödes Kleid, das half nun wirklich auch nicht.
Gerade wollte sie auf einer Bank vor einem kleinen Springbrunnen Platz nehmen, der der Jahreszeit entsprechend leider abgestellt war. Da bemerkte sie, dass sie nicht die einzige war, die sich diesen Ort als Rückzugsort ausgesucht hatte.
«Mr. Newton. So trifft man sich wieder!», stiess Penny überrascht aus.
«Miss…? Ich kenne nicht einmal Ihren Namen, dabei sollte das doch eigentlich meine Party sein», grollte Armando.
«Tuppence St. Claire», antwortete die Angesprochene.
«Wunderbar, die Radioreporterin? Wer hat sie denn eingeladen?»
Sie ignorierte den scharfen Kommentar, und trat ein paar Schritte auf ihn zu. Da erkannte sie, dass Armando aus einer Platzwunde über seinem Auge Blut über die Schläfe lief.
«Sie bluten», stellte sie überflüssigerweise fest und fragte sich, warum ihr nichts Geistreicheres einfiel.
Er reagierte nicht, sondern starrte nur gen Himmel, als hoffte er, durch blosse Willenskraft die Wolken zu vertreiben und freie Sicht auf die Sterne zu erlangen.
«Kannten Sie diese Männer? Die den Streit provoziert haben?»
«Nein. Natürlich nicht. Das mag zwar meine Verlobungsfeier sein, aber ich kennen kaum jemanden wirklich hier. Ich hätte solches Gesindel doch niemals hineingelassen. Das müssen Bekannte meines Vaters sein. Er ist Lieutenant Colonel in der Armee, ich nehme an, daher kennt er sie.»
Eine Weile schwiegen sie. Dann griff sich Tuppence ein Herz und fragte: «Was Sie vorhin gesagt haben… darüber, dass Sie am liebsten die Hochzeit absagen würden. Warum heiraten Sie das Mädchen überhaupt, wenn Ihnen so wenig an ihr liegt?»
«Das ist nicht so einfach… Sie würden das nicht verstehen.»
«Erklären Sie es mir», beharrte sie, vom Reporterinstinkt gepackt.
«Ich bin der einzige Sohn meiner Eltern. Mit dem Stand meines Vaters in der Gesellschaft und dem Erbe, das mich erwartet, sind gewisse… Bedingungen verbunden.»
«Sie meinen heiraten und Kinder zeugen?», fragte Tuppence, als Mr. Newton wieder in Schweigen verfiel.
«Ja», antwortete der junge Mann knapp und klang dabei so unglücklich, dass es Tuppence einen Stich versetzte.
«Können Sie nicht jemand anderen heiraten? Eine Frau, die sie wirklich lieben?»
«Wenn es bloss so einfach wäre! Sie muss Geld haben, in der Gesellschaft angesehen sein. Sie muss gut aussehen, im richtigen Alter sein, oh, und natürlich unverheiratet. Dann muss sie loyal und verschwiegen sein, denn welche Frau würde sonst das Geheimnis der Magie wahren. Nicht, dass ich vorhätte, es ihr in naher Zukunft zu sagen», fuhr Armando Newton fort.
«Warten Sie, Louise Ratcliff weiss nicht, dass sie zaubern können?», unterbrach Tuppence ihn. «Aber wie können Sie so jemanden heiraten? Mit einem Geheimnis von dieser Grösse als Last. Das kann ja gar nicht funktionieren!»
«Und Sie erlauben sich ein Urteil über meine zukünftige Ehe, weil Sie so viel Erfahrung haben?», fragte Armando scharf, aber Tuppence liess sich nicht einschüchtern.
«Nein, weil ich eine Frau bin und man so etwas einfach weiss!»
«Was wissen Sie denn sonst noch, was ich nicht weiss?», raunte Armando.
«Das man aus Liebe heiraten sollte. Es ist Ihr Leben, verdammt nochmal! Leben Sie es, nach Ihren Regeln!»
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Mr. Newton ihr auf der Bank immer näher gerückt war. Im Schein der Kerzen, die selbst hier noch aufgestellt waren, leuchtete sein Haar golden und der Geruch nach teurem Parfüm, den sie bereits vorhin wahrgenommen hatte, intensivierte sich. Als er ihr tief in die Augen blickte, stockte Tuppence der Atem und sie fand keine weiteren Worte, etwas, das ihr sehr selten passierte.
«Wie wäre es, wenn ich gleich jetzt damit anfange?», fragte Mr. Newton. Gleichzeitig näherte sich seine Hand ganz langsam ihrem Gesicht und sein Zeigefinger fuhr mit einer Zärtlichkeit ihre Unterlippe entlang, die sie überraschte. Beiläufig bemerkte sie die rot-violetten Blutergüsse auf seinen Fingerknöcheln.
«Ich …» stammelte Tuppence, als Armando den Zeigefinger seiner freien Hand an seine eigenen Lippen hob und «Schtttt…» murmelte.
Dann lehnte er sich vor, langsam, blickte ihr noch einmal in die Augen, als würde er um Erlaubnis fragen und schliesslich berührten sich ihre Lippen, ganz sanft. Der Kuss war zärtlich, er war langsam und sinnlich, wie ein Tanz zwischen Liebenden. Er schmeckte süsser als alles, was Penny je in ihrem Leben gekostet hatte und als er schliesslich viel zu früh endete, war sie bereits süchtig nach ihm. Als Armando gerade aufstehen wollte um zurück zum Anwesen zu gehen, hielt sie ihn fest, zog ihn am Arm zurück zu sich auf die Bank und fuhr dort fort, wo er aufgehört hatte.
Eines war ihr in diesem Moment klar und es war das einzige, dessen sie sich sicher war: davon würde man morgen nichts im Radio hören!
Und während die beiden zwischen den Kerzen tief verborgen im immergrünen Park der Newtons sich verzweifelt küssten, als wäre dies der letzte, der einzige Abend, an dem sie zusammen sein konnte, explodierte über ihren Köpfen das Feuerwerk zu Ehren von Armando Newtons Verlobung mit Louise Ratcliff.
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Auf der Terrasse von Berkley Park raunte die Menge andächtig im Rhythmus der Explosionen «Ooohs» und «Aaahs». Amelia stand ein wenig abseits und dachte an Isaac, wie so oft in diesen Tagen. Sie erinnerte sich an ihre Hochzeit mit ihm. Sie hatten an Silvester geheiratet, mitten im Winter und es war noch kälter als heute gewesen, aber in seinen Armen hatte sie das nicht gespürt.
Sie hatte schon immer schnell gefroren, war als Mädchen selbst im Sommer oft mit einem Jäckchen anzutreffen gewesen, worüber sich Abigail immer lustig gemacht hatte. Doch er war ihre Sonne, hatte sie immer, wenn ihr kalt gewesen war in seine Umarmung gezogen und ihr warm gegeben.
Was, wenn sie nie wieder die Wärme seines Lächelns auf ihrer Haut spüren würde? Seinen Atem in ihrem Nacken, wenn er kleine Küsse auf ihren Schultern hinterliess? Die Sanftheit seiner Finger, wenn er die Kontur ihrer Nase entlangstrich? Was, wenn sein letzter Kuss tatsächlich genau das war? Sein letzter Kuss?
Wumm! Ein weiterer Feuerwerkskörper explodierte am Nachthimmel, doch jetzt sah Amelia nicht mehr ihren Mann im Bräutigamsfrack neben sich, jetzt sah sie ihn vor ihrem inneren Auge im Schützengraben, das Gesicht schlammverschmiert und Angst in den Augen und während weitere Knallgeräusche ertönten, lief ihm Blut über die Stirn, Blut über die Brust, Blut über die Hände! Da war so viel Blut und Amelia wich zurück, warf einen Blick gen Himmel, als der nächste Funkenregen den Himmel rot erleuchtete. Blut!
Amelia spürte, wie ihre Hals eng wurde, spürte, wie sich ihre Brust hob und senkte, aber kein Atem konnte zu ihren Lungen gelangen. Sie bekam keine Luft! Sie taumelte rückwärts, unbemerkt von den Anwesenden, die alle das Feuerwerk bestaunte. Sie wollte schreien, sah denn niemand, dass sie hier erstickte?
Übelkeit erfasst sie und während sie hinein in die hellerleuchtete Festhalle stürzte, sah sie bunte Punkte vor ihrem Auge. Sie wusste nicht wohin sie lief, aber je weiter sie in das Innere des Newton’schen Anwesens vordrang, desto leiser wurde der Lärm des Feuerwerks und desto ruhiger ihr Atem.
Als sie wieder bei Sinnen war sah sie sich um. Sie sass auf dem teppichbelegten Boden eines Raums, der langgestreckt war, ohne Fenster und nur schwach erleuchtet. Ehemalige Hausbewohner hingen in Gemälden an den Wänden, und auch wenn die Bilder von Muggelhand gemalt worden waren, kam es Amelia vor, als würden sie auf sie herabblicken.
Sie holte noch einmal tief Luft, versuchte ihr immer noch zu schnell klopfendes Herz zu beruhigen, dann wollte sie sich auf den Rückweg zu der Feier machen. Doch in diesem Moment hörte sie ein Schluchzen.
«Hallo?», fragte sie. «Ist da jemand?»
Aber niemand antwortete. Als Amelia langsam aufstand und den Raum entlangschlich, merkte sie, dass das Weinen aus einem weiteren Raum kam, der durch eine angelehnte Tür von dem Raum mit den Bildern abgetrennt war. Leise öffnete sie die Tür und zuckte zusammen, als diese leise knarzte. In dem Raum, der nur durch den Lichtschein aus der offenen Tür und gedämpftes Mondlicht durch ein Fenster erleuchtet war, sass ein Mann am Boden.
Er war zusammengekrümmt und hatte die Arme um die Knie geschlungen, während er sich hin und her wiegte. Hatte er eine Panikattacke, genau wie sie eine gehabt hatte? Gerade als sie ihn auf sich aufmerksam machen wollte, schluchzte der Mann, den Amelia nun als Lancelot Weasley, den Bruder von Septimus Weasley erkannte, erneut auf und stiess hervor: «Sie sind tot. Sie sind alle tot. Und ich habe sie umgebracht!»
Amelia zuckte zurück, schlich sich leise davon und machte, dass sie davon kam. Und noch während sie den Ausgang aus den labyrinthartigen Gängen suchte, fragte sie sich womit sie es verdient hatte, an ihrem ersten freien Abend seit Ewigkeiten mit so viel Drama bestraft zu werden. Bis sie endlich die hellerleuchtete Eingangshalle gefunden hatte, um endlich nach Hause zu verschwinden, hatte sie sich bereits fast eingeredet, dass sie sich die Szene mit Lancelot Weasley nur eingebildet hatte.
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Ja, es war ihr schwer gefallen, ihre Traurigkeit zu verbergen, als er das Haus verlassen hatte, ohne noch einmal zurückzublicken. Er hatte nicht bemerkt, dass sie ihr bestes Sonntagskleid angezogen hatte, hatte nicht die aufwendige Flechtfrisur bemerkt und für die geputzten Schuhe und das gebügelte Hemd hatte sie nur ein hastiges Danke bekommen.
Natürlich war es töricht von ihr gewesen, anzunehmen, dass Mr. Septimus Weasley, angesehenes Mitglied er magischen Gesellschaft seine Haushälterin mit zu einem offiziellen Anlass nehmen würde. Vor allem nach seinen Worten vor wenigen Tagen. Du bist wie eine Schwester für mich.
Und doch, hatte sie sich die Spannungen zwischen ihnen, die Anziehung, nur eingebildet? War das alles nur Wunschdenken gewesen?
Nellie war gerade aus Master Septimus Schlafgemach gekommen, wo sie den Ofen eingeheizt hatte, damit er später in ein warmes Zimmer zurückkehren würde, als sie die Eingangstür hörte. Kurz erschrak sie, wer konnte das sein? Es war viel zu früh für Mr. Weasley, noch nicht einmal halb zehn!
Doch als sie vorsichtig die Treppe hinunterschlich, Deckung nehmend hinter dem Schürhaken, mit dem sie eben noch eingefeuert hatte, rief eine ihr vertraute Stimme: «Nellie, bist du noch wach?»
«Mr. Weasley, Sir! Sie haben mich überrascht», fügte Nellie hinzu, als er einen fragenden Blick auf den Metallhaken in ihrer Hand warf.
«Nellie, das war vielleicht ein Abend!», sagte Mr. Septimus, während er seine Stiefel auszog und sah dabei so müde aus, dass Nellie ganz schwer ums Herz wurde. Er hatte ein zugeschwollenes Auge und seine Lippe war dick und an einer Stelle blutig aufgeplatzt. Was war nur passiert?
Er nahm auf seinem Sessel Platz und lud die Haushälterin ein, sich zu ihm zu gesellen. Steif setzte sich Nellie auf die vorderste Kante der mit Cord bezogenen Couch. Dann lauschte sie gebannt den Worten ihres Arbeitgebers, als er von seinem Abend erzählte. Die Abstände zwischen seinen Gähngeräuschen wurden immer kürzer. Doch schliesslich kam er zum Ende der Geschichte und lächelte: «Erinnerst du dich an diese Scheusale, die dich vor Kurzem zum Tanzen eingeladen haben? Sie werden dir nie wieder wehtun, und auch sonst niemandem mehr. Die haben ihre Lektion gelernt!»
Und noch während sich Nellie fragte, ob er sich wegen ihr geschlagen hatte, noch während sie überlegte, was das bedeutete, war er schon im Sessel eingeschlafen.
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Es hätte ein gemütlicher Abend sein können. Ihr Grossvater lag zusammengerollt wie ein kleines Kind auf der Couch und schnarchte leise. Er sah so friedlich aus, so sorglos. Flora hatte an dem grossen Esstisch Platz genommen und ihre Notizen um sich herum ausgebreitet. Sie war gerade dabei, an dem Manuskript von Edward Blooms neuesten Bestseller, zumindest in Fachkreisen zu schreiben, aber irgendwie konnte sie sich nicht konzentrieren.
Etwas ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Oder besser gesagt jemand. Eliza Goldstein. Es war nun fast zwei Wochen her, genau genommen zwölf lange Tage, dass sie sie zuletzt gesehen hatte, und auch da hatten sie keine Gelegenheit gehabt, unter vier Augen zu sprechen.
Immer, wenn Flora ihre Augen schloss, waren da haselnussbraune Augen. Der feine Schwung von Lippen, die so unglaublich weich aussahen, dass Flora sich zusammenreissen musste, sie nicht vorsichtig mit dem Zeigefinger nachzufahren.
Flora war nie künstlerisch begabt gewesen, ihre Kunst war die Wissenschaft. Aber für Eliza hätte sie zum Pinsel gegriffen, um ihre Schönheit auf Leinwand festzuhalten, oder zur Feder, um Gedichte über ihren Humor zu verfassen.
Und wenn sie an den Schimmer in ihren Haaren dachte…
Schwungvoll klappte Flora ihr Notizbuch zu. Das wurde hier nichts. Kurz schaute sie auf die grosse Standuhr. Es war kurz nach neun Uhr abends. Dann blickte sie zu ihrem Grossvater. Er schlief und mit ein bisschen Glück würde er vor dem Morgengrauen auch nicht aufwachen. Flora wusste zwar nicht einmal genau, was sie vorhatte, was sie sagen wollte, aber sie griff, einer inneren Eingebung folgend nach ihrem Mantel und verliess das Haus.
Sie musste Eliza sehen. Musste mit ihr reden. In ihrer Nähe sein. Sie würde ihr sagen, wie sie empfand. Flora hielt es keine Sekunde länger aus zu schweigen. Ihre Leidenschaft kühlte nicht einmal auf dem Weg durch die Kälte ab. Gerade als sie nur noch wenige Meter vom Haus Ollivanders entfernt war, sah sie eine schlanke Gestalt durch die Tür schlüpfen.
Flora erkannte sie trotz des Mantels sofort, es war Eliza. Gerade wollte sie das Mädchen auf sich aufmerksam machen, als mit einem leisen Knall ein Mann erschien.
Die Kräuterkundlerin brauchte etwas länger um ihn zu erkennen, aber schliesslich wurde ihr klar, dass es Stewart war. Wie hatte er noch weiter geheissen…? Nathan? Nein, Nathaniel! Er war vielleicht zwei Jahre unter ihr in Hogwarts gewesen und im Gegensatz zu ihr in Slytherin, trotzdem hatte ihn das nicht davon abgehalten, auf sie zu zeigen, nachdem… das mit Charlotte herausgekommen war.
Grimmig verzog Flora das Gesicht. Was trieb Stewart mitten in der Nacht mit Eliza! Belästigte er sie etwa? Erst als ihre Handfläche schmerzte, bemerkte sie, dass sie die Hand zur Faust geballt hatte.
Die beiden machten sich zu Fuss auf den Weg in Richtung Wald und Flora entschied, ohne genau zu wissen, was sie vorhatte, den beiden zu folgen. Sie hielt vorsichtig Abstand und konnte darum ihrer Unterhaltung nicht lauschen, aber zwischendurch wehten Fetzen eines fröhlichen Lachens zu ihr. Elizas Lachen!
Schliesslich, nach einer gefühlten Ewigkeit durch die Dunkelheit schienen die beiden ihr Ziel erreicht zu haben. Es war ein Hügel, von dem man nicht nur auf St. David’s, sondern auch auf die umliegenden Felder und Höfe blicken konnte.
Flora verkniff sich ein verächtliches Schnauben. Dieser Aussichtspunkt mochte bei Tageslicht recht spektakulär sein, nachts und dann auch noch bei bewölktem Himmel konnte man jedoch nicht sehr viel sehen.
Doch in diesem Moment ertönten Geschosse und vom nicht weit entfernten Berkley Park wurde ein Feuerwerk abgefeuert. Natürlich, dachte Flora, Armando Newton, seinerzeit ein Jahr unter ihr in Gryffindor gewesen, verlobte sich heute mit irgendeiner Muggelbraut.
Das Feuerwerk tauchte das Tal nicht nur in ein beeindruckendes Leuchten, von diesem Hügel aus hatte man auch einen Logenplatz, der an Romantik durch nichts zu übertreffen war. Und in genau dem Moment, als Flora den Blick vom Funkenregen am Himmel abwandte, sah sie, wie Nathaniel Stewart das wunderschöne Gesicht von Eliza in seine Hände nahm und sie küsste, so sanft und zärtlich, dass es Flora von innen zerriss.
Und noch während sie wie betäubt zurückstolperte und versuchte, sich so schnell und gleichzeitig leise wie möglich aus dem Staub zu machen, wusste sie, dass sie nie eine Chance bei Eliza Goldstein gehabt hatte.
Gerda Goldstein
Maxim Delahaye
Cyril von Rommersdorf
Louise Ratcliff
Cassiopeia Newton
Arthur Newton
Arielle Weasley
Tiw Epson
Catherine Knight
Lancelot Weasley
Magnus Griffin
14. Februar 1940
Mittwoch
Finnische Note an Russland, welche auch vielen anderen Regierungen bekannt gemacht wird, wirft dieser "illegale" Methoden der Kriegsführung vor, unter anderem die wahllose Bombardierung unverteidigter Städte, Krankenhäuser und Eisenbahnzügen sowie die missbräuchliche Verwendung der "Weißen Fahne" (einige russische Soldaten haben vor dem Angriff ihre Kapitulation vorgetäuscht).